: Keine Chance für Rot-Rot-Grün
HESSEN SPD, Linke und Grüne glauben nicht mehr an ein Regierungsbündnis – und geben jeweils den anderen die Schuld. Streitpunkt ist das liebe Geld
VON ULRICH SCHULTE
BERLIN taz | Eine Ehe, an der beide Partner heimlich zweifeln, hat in der Regel keine Chance mehr. So ähnlich sieht es im Moment mit Rot-Rot-Grün in Hessen aus. An diese politische Ehe glauben nach wochenlangen Verhandlungen alle drei Beteiligten nicht mehr wirklich.
Michael Roth, Generalsekretär der Landes-SPD, drückte seine Skepsis am Donnerstag so aus: „Ein linkes Bündnis müsste zeigen, dass es in einer schwierigen Situation regieren kann. Und nicht nur dann, wenn Manna vom Himmel regnet.“ Diese Sätze zielen auf die Linkspartei. Bei der SPD hat sich nach vier Verhandlungsrunden der Eindruck verfestigt, dass die Linken finanzpolitisch unzuverlässig seien. Das Haushaltsdefizit des Bundeslandes beträgt – je nach Rechnung – zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Die Linke sei angesichts der in der Verfassung verankerten Schuldenbremse nicht in der Lage, Haushaltskürzungen mitzutragen, sagen Sozialdemokraten.
Für Verwirrung sorgten angebliche Äußerungen von SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte berichtet, er habe in einer Sitzung des Bundesvorstandes alle Gespräche für eine SPD-geführte Regierung für gescheitert erklärt. Die SPD dementierte den Bericht umgehend. Schäfer-Gümbel habe nur über den Verlauf der Gespräche berichtet, sagte Roth. Eine Empfehlung über das Vorgehen, also etwa eine Verhandlung über eine Koalition mit der CDU, werde Schäfer-Gümbel erst in den Landesgremien am Montag geben.
Dieses Dementi hat auch protokollarische Gründe. Am Montag findet ein letztes Sondierungsgespräch zwischen SPD und CDU statt. Erst danach wollen alle Parteien eine abschließende Einschätzung abgeben. Dennoch kristallisiert sich bereits jetzt heraus, dass Rot-Rot-Grün keine Chance mehr hat. Denn auch Linke und Grüne sind inzwischen mehr als skeptisch.
Janine Wissler, Fraktionschefin der Linken, übte sich zwar noch in Zweckoptimismus. „Es gibt viele Übereinstimmungen, etwa in der Energie- und Bildungspolitik. SPD und Grüne müssen beurteilen, ob die Differenzen zur CDU wirklich kleiner sind.“ Solange es keinen Beschluss einer Partei gebe, seien die Verhandlungen nicht gescheitert, sagte Wissler.
Doch intern räumten auch Linke ein, dass Rot-Rot-Grün wenig aussichtsreich ist. Nur, dass sie die Geschichte mit dem Geld anders erzählen. Gerade die SPD habe in den Koalitionsverhandlungen im Bund die Chance verpasst, für höhere Einnahmen für die Länder zu kämpfen – über eine Vermögenssteuer. Einerseits auf die Schuldenbremse zu pochen, andererseits aber höhere Steuern für Gutverdiener abzulehnen, sei inkonsequent.
Die Grünen sehen die Lage so wie die SPD. Die Linke klebe zu sehr an ihrem Programm, um eine tragfähige Koalition zu ermöglichen, hieß es im Landesverband. Wenn nächste Woche die Gremien getagt haben, wird offiziell, was sich abzeichnet: Ein Wettlauf zwischen SPD und Grünen um die Gunst der CDU.
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