: Er hat sich Gedanken gemacht
POESIE Hier ist von einem frischen Objekt die Rede, das es zu schmusen, schmiegen und lesen lohnt – auch, ja, vielleicht gerade in der Nacht
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VON NICOLA SCHWARZMAIER
Er kommt einmal im Jahr. Meistens im November, aber es ist wie mit allem im Leben: Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, dass es nicht vielleicht doch Anfang Dezember wird. Dafür eine Vorahnung.
Ein gutes Gefühl, ganz tief im Bauch. So, als hätte man 50 Pfennig im Kaugummiautomaten gefunden oder gerade entdeckt, dass das Meer in der Muschel im Wohnzimmer rauscht.
Wenn er endlich da ist, und es ist November, ein Samstag und verregnet, lohnt sich das Aufstehen eigentlich nicht. Vielleicht lieber liegen bleiben? Nein, für ihn muss ich an die Tür. Er lässt sich bitten, ist schüchtern – und ziemlich rot. Kaum habe ich ihn zur Begrüßung umarmt, tauchen feinste Erinnerungen auf: Er fühlt sich fest an, samtig. Nicht zu glatt und glänzend, nicht zu rau und spröde.
Er hat sich verändert. Man sieht es ihm nicht an, aber er hat sich Gedanken gemacht, das merke ich, sobald er mit mir spricht. Er ist unter die Lyriker gegangen! Für mich!
Ich fühle mich geschmeichelt, wahrgenommen und umgarnt. Dass er so etwas macht … Mit mir! Noch bevor ich nachgucke, was er diesmal wieder Tolles mitgebracht hat, schwelge ich in seinen Worten. Sie schwimmen um mich wie Blasen in einem Schaumbad.
„Man wartet oft vergebens, und draußen zieht die Zeit, vergeht ein Teil des Lebens, alleine statt zu zweit.“ Er macht mich sentimental, meine Sehnsucht nach Zeit mit ihm wird stärker.
„Was hat er, was ich nicht habe? Kann er etwa besser küssen? Sag es mir, ich muss es wissen!“ Ist er eifersüchtig? So habe ich ihn nie erlebt.
Er ist poetisch, leidenschaftlich. Er sagt, dass ich mich wieder hinlegen soll. Auch er mag mein Bett. Ich liege auf dem Bauch und warte. Er haucht mir ins Ohr, wie er mir über die Rückseite meiner Waden streicheln würde. Wenn er sie dabei hätte, die Tastaturbürste aus dem weichen Haar der Kaschmirziege.
Was ihm wieder einfällt …
Und dann beginnt er zu erzählen. Von Tom, der jeden Tag einen Comic zeichnet. Von den hohen bis sehr hohen Bergen der Schweiz, wo die Stiftung Brändi sitzt, in der Menschen mit Behinderung Holzspiele fertigen. Und er erzählt vom Künstler Ólafur Elíasson, der eine Solarlampe für Afrika entwickelt hat.
„… berauscht zu raunen und in ihrem Blick, dem kecken, längst die Sünde zu entdecken …“: Ich höre die Spatzen zwitschern, die vor meinem Fenster in ihrer WG wohnen. Er erzählt von Japan, von scharfen Sägen mit Namen wie Dozuki, Ryoba Komane oder Kataba. Er erzählt von Yetis, die mit anderen ihrer Art koppelbar sind und sich mit Daunen freilaufender Enten füttern.
Am Ende des Tages bin ich angefüllt mit Ideen. Für ein anderes, ein besseres Leben. Für einen wertvollen Umgang mit mir selbst und meiner Umwelt. Alles seinetwegen. Unaufdringlich liegt er neben mir. Immer noch rot. Jetzt aber vor Eifer, weil er mir so viel erzählt hat: der taz Shop Katalog.
■ Nicola Schwarzmaier, 31, ist Site Managerin von taz.de. Sie hat wirklich einen Abend und eine Nacht mit dem Objekt ihrer Begierde verbracht