: „Das ist ja schon sehr peinlich für Deutschland“
Luke Harding, Korrespondent der britischen Zeitung „Guardian“, über das Zusammentreffen der Themen WM und Ausländerfeindlichkeit
taz: Hallo Herr Harding, woran arbeiten Sie gerade?
Luke Harding: Ich schreibe einen Artikel über den neusten Anschlag in Deutschland: den auf den türkischstämmigen Berliner Politiker Sayan.
Werden auch die Worte „Fußball“ und „Weltmeisterschaft“ vorkommen?
Ja. Das ist ja schon alles sehr peinlich für Deutschland, dass so etwas kurz vor der Weltmeisterschaft vorkommt. Und es interessiert natürlich die Fußballfans aus meinem Land. Etwa 100.000 wollen nach Deutschland kommen, um dieses Fußballfest zu genießen. Und darunter sind eine ganze Menge, die schwarz oder asiatischer Herkunft sind. England ist eine multikulturelle Gesellschaft mit vielen Leuten aus Indien, aus Pakistan, aus afrikanischen Ländern.
Was sagt Ihre Zentrale in London zu den Anschlägen kurz vor der WM?
Das ist ein heißes Thema bei uns. Ich habe schon für den Freitag einen großen Artikel geschrieben über die Äußerung des früheren Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye, der Besuchern mit dunkler Hautfarbe riet, in bestimmte Gebiete nicht zu fahren. Ich denke, die Reaktion, zu sagen, es gebe kein Problem, ist falsch. Die politische Klasse in Deutschland muss einfach zugeben, dass es ein Problem gibt. Und sie muss konsequent handeln.
Eigentlich wollte Deutschland durch die WM einen Imagegewinn. Glauben Sie, dass Ausländerfeindlichkeit in Verbindung mit der hohen Aufmerksamkeit bei der Fußball-WM das Gegenteil bewirkt?
Ein bisschen sieht das so aus. Die WM wird aber trotzdem ein Erfolg werden und sehr gut für das Land sein. Das Problem ist, dass es eine zunehmende Zahl von jungen Briten gibt, die überhaupt keine Ahnung von Deutschland haben. Wir haben gerade ein Quiz gemacht: Nur eine sehr geringe Minderheit konnte Angela Merkel identifizieren.
Und dann lesen sie gleich als Erstes Meldungen, die das alte englische Bild von den Sauerkraut-Nazis bestätigen.
Ich hoffe, dass die Boulevardzeitungen bei uns diesmal etwas verantwortlicher handeln. Und selbst die blödesten Briten sind auf die Idee gekommen, dass das Thema inzwischen durch ist. Wir müssen ein wenig an unserem Deutschland-Image arbeiten. Aber es ist auch schon besser geworden.
Der WM-Slogan lautet „Die Welt zu Gast bei Freunden“, auf Englisch: „A time to make friends“ …
Haha. Das ist ein guter Witz. „A time, to make friends – but please don’t go to Brandenburg.“
Werden Sie Ihren Lesern den Service bieten und schreiben, in welche Gebiete man nicht hinfahren darf?
Nein. Die meisten werden ja eh der englischen Mannschaft hinterherpilgern. Sie werden also erst mal nach Frankfurt fahren, nach Köln und nach Nürnberg. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass jemand nach Brandenburg reist. Aber das ist nun mal auch ein Teil von Deutschland und deshalb auch schlecht fürs deutsche Image.
INTERVIEW: GEORG LÖWISCH