: Der Vier-Wochen-Praxistest
Während der Fußball-WM bleiben zahlreiche Hamburger Geschäfte länger geöffnet – auch weitab vom Fußballtrubel. Nicht nur betroffene Angestellte vermuten, dass damit ausgelotet wird, welche Öffnungszeiten die Kundschaft wünscht
Neulich in einem Supermarkt im Hamburger Osten: „Hast du gehört? Die machen ernst“, raunt eine Kassiererin ihrer Kollegin zu. „Während der WM bis 22 Uhr.“ Genervt verzieht sie den Mund, setzt sich an die Kasse und schiebt die Ware vom Laufband über den Scanner.
Noch 18 Tage bis zur WM. Nicht jeder fiebert diesem Datum mit Freude entgegen. Neun Penny-Märkte und 17 Minimal-Märkte der Rewe-Kette zum Beispiel haben in dieser Zeit an sechs Tagen, einschließlich Samstags, bis 22 Uhr geöffnet. Betroffene Gesichter bei den beiden Damen im grünen Kittel. Sie verteilen mit freundlichem Gesicht die Gratis-CDs mit Portraits der Nationalspieler an die Kinder der Kunden – und wissen nicht, ob sie selber mitgucken können beim Fußballfest. „Stellen Sie sich mal vor, am Samstag bis zehn“, sagt die Kassiererin. „Da möchte eine Verkäuferin doch auch einmal in der Woche mit ihrem Mann Zeit zum Grillen haben.“ In südlichen Ländern blieben die Geschäfte zwar auch länger geöffnet, „aber da haben die eine lange Mittagspause und machen morgens nicht so früh auf wie wir“.
Der Supermarkt liegt weit weg von der Volkspark-Arena und hat normalerweise bis 20 Uhr geöffnet. Schon um diese Zeit sind hier die Bürgersteige hochgeklappt. Wer später noch ein Bier möchte, zum Beispiel die Obdachlosen von der Unterkunft gegenüber, bekommt den Halben genauso gut an der Tankstelle hundert Meter weiter.
Theoretisch könnte der Markt sogar 24 Stunden geöffnet bleiben, so erlaubt es der Senat. Nur Sonntags vormittags vor 14 Uhr nicht – um auf die „Gottesdienstzeiten am Vormittag“ Rücksicht zu nehmen. Hamburg präsentiere sich mit dieser Regelung als „weltoffene Metropole“, prahlte Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) Anfang März, als die befristete Aufhebung der Ladenöffnungszeiten gerade beschlossen worden war.
„Der Hamburger Senat wird maßlos“, kommentierte die Dienstleistunsgsgewerkschaft ver.di und versuchte eine „grundsätzliche Freiwilligkeit“ durchzusetzen. „Dazu ist es nicht gekommen“, berichtet ver.di-Sprecherin Sabine Bauer, weshalb nun die Konditionen für jeden Betrieb einzeln ausgehandelt werden. Immerhin ist es dem Rewe-Betriebsrat dann doch gelungen „absolute Freiwilligkeit“ durch zu setzen, so ver.di-Sekretärin Katrin Sehne. Auch gibt es ab 20 Uhr 50 Prozent Lohnzuschlag. Dennoch sei es bei der Sorge um Arbeitsplätze für eine Verkäuferin „schwer, sich dagegen zu entscheiden“.
Man habe sich „in Hamburg darauf verständigt, dass nur Märkte im Umfeld von Spielstätten oder an den Wegen der Fans von und zu den Stadien länger offen haben“, sagt Andreas Krämer, Pressesprecher aus der Kölner Rewe-Zentrale. Die Auswahl der Standorte obliege den Regionalleitungen. Wäre keine Spielstätte in der Nähe, nutze man die WM wohl als „Praxistest, um zu sehen, welche Ladenöffnungszeiten sich der Kunde wünscht“.
„Ich hoffe“, flüstert die Kassiererin im Hamburger Osten, „dass keiner kommt.“ KAJ