Wedding, die Gentrifizierer sind da!

LIBESKIND KEHRT ZURÜCK

Fürs ganze Gebiet gibt es immer mehr Abbruchgenehmigungen, Bauanträge, Baulastauskünfte

Man schaut auf die Skizze und stutzt. Da ist dieser metallic schimmernde Libeskind-Bau, der so zackig in den Himmel ragt, dass einem alles drumherum erst mal gar nicht auffällt. Aber dann. Denn die Wohnhaus-Entwürfe von Daniel Libeskind, die da seit einer Woche durch die Medien geistern, zeigen eine Ecke in der Chausseestraße, vis-à-vis der neuen stadtviertelgroßen Bundesnachrichtendienstzentrale.

Und dann merkt man: Auf dem Plan cruisen über die Kreuzung eine glänzende Alfa-Romeo-Limousine und ein Audi TT, alles ist so hell und schick, als sei es mitten in Touri-Mitte. Das ist definitiv nicht die Brachlandschaft zwischen Mitte und Wedding, wie wir sie kennen, mit den bröselnden Fabrikgebäuden und den zugemüllten Wiesen.

Der Libeskind-Bau, der da ab Frühjahr 2014 entstehen und anderthalb Jahre später mietfertig sein soll, ist symptomatisch für das Viertel: Hallo, die Gentrifizierung kommt!

„Ich habe den Eindruck, dass derzeit viele Leute in diese Gegend ziehen wollen“, sagt der zuständige Bezirksstadtrat Carsten Spallek. Früher sei das Zonenrandgebiet gewesen, die Brachen nach wie vor für viele „gefühlte Grünanlagen“. Aber de facto eben Bauland. Fürs ganze Gebiet gibt es immer mehr Abbruchgenehmigungen, Bauanträge, Baulastauskünfte. Über die fies überwachte Ecke gegenüber dem BND sagt Reiner Bahr, einer der zwei Immobilienunternehmer, der das Grundstück gekauft und seit zwei Jahren mit dem Architekten des Jüdischen Museums an den Apartmenthausplänen gebastelt hat: „An dieser Stelle muss ein Architekt bauen, der eine Marke ist.“ 20 Jahre nach dem Museum, mit dem alles begann, wird das Libeskinds erster Bau in der Stadt. Sein nächster Wunsch: ein Büro in Berlin. ANNE HAEMING