Bilderstrom des Kaputten

Aus den Nervenbahnen der „medialen Verbreiung“: Alekos Hofstetter erforscht das Verhältnis von schrumpfenden Informationen und wachsender Zerstörung in Bildern

Mit weit geöffnetem Mund und nacktem Oberkörper brüllt Bruce Lee aus einem Bild von Alekos Hofstetter heraus. Hinter ihm erhebt sich heroisch Caspar David Friedrichs „Eismeer“, diese scharfkantige Bruchlandschaft, die sich hier allerdings aus Schichten von Paketklebeband zusammensetzt. Warum Bruce Lee so brüllt? Entweder siegesstolz – seht her, was ich mit meinem Handkantenschlag zerlegt habe! Oder aber enttäuscht darüber, dass hier ein schönes Zerstörungswerk von anderer Hand erledigt wurde.

Mit Zerstörung und dem Ruinösen beschäftigt sich Alekos Hofstetter seit Jahren obsessiv: Die Bilderserie „Urban Decline“, die sich in der jetzt erschienenen Monografie „Cash & Copy“ findet, zeigt Hochhäuser, Kaufhäuser, Einfamilienhäuser und Brücken – stürzend, abgewrackt, in Trümmern. In giftigen Gouache-Farben und scharfen Konturen aufs Papier gebracht, stellt sie zerfetzte Stahlträger, grotesk verdrehte Fensterrahmen, Kabelsalate und Holzlattenhaufen zu einem repetitiven Bilderstrom zusammen. Auf den zweiten Blick erinnert man sich vielleicht: an die zerstörte US-Botschaft von Daressalam nach dem Al-Qaida-Anschlag 1998, an Kobe nach dem Erdbeben, sächsische Dörfer nach dem Elbe-Hochwasser 2002. Als Vorlage für seine Verfallsstills benutzt Alekos Hofstetter Zeitungs- und TV-Nachrichtenbilder.

Aber es geht dem 1967 in Bonn geborenen und jetzt in Berlin arbeitenden Künstler kaum um konkrete Wiedererkennbarkeit oder Kommentierung à la „Der Globalkapitalismus triggert Terror, Katastrophen und die Schrumpfung der Städte“. Vielmehr beschäftigt er sich mit der „medialen Verbreiung“ und Fragen wie: Lässt sich der fehlende Kontext eines medialen Bildes in einer künstlerischen Kopie deutlich machen? Kann man den mangelnden Informationsgehalt des Bildes so weit in den Ästhetizismus steigern, dass das Monströse als einziger Inhalt von Nachrichtenbildern deutlich wird?

Im Bilderzyklus „Cash Flow“ stellt Hofstetter dann auch die ikonografischen Eckpfeiler der globalen Kapitalströme zusammen: Zwischen Pop-Art und Manga reihen sich Porträts von Weltbank-, EZB- und US-Präsidenten an Adaptionen von Andreas Gurskys Börsenfotos. Dazwischengestreut, wie Sand im Getriebe, Kim Jong Il, der Giftgasanschlag auf die Tokioter U-Bahn, Gaddafi. So entsteht aus der Reihung von Allerwelts-Pressebildern der Eindruck eines großen maschinellen Zusammenhangs, der Bilder und Bildstörungen gleichermaßen braucht.

In neueren Arbeiten thematisiert Hofstetter nicht nur Bilder, sondern auch Worte als „Nullsummen-Information“: Theoriemodische Key Words, allzu oft offensichtlich unsinnig eingespeist in die Verwertungskreisläufe der Sprache. Auch die Videoanimation, die er gemeinsam mit Holger Lippmann gemacht hat, verdankt sich gewissermaßen der Macht der Hülsenworte: Im Auftrag des Goethe-Instituts von Toronto zersplittert das Gebäude des Instituts in seine Einzelteile. Das Reizwort „Dekonstruktion“ – das der abgebrochene Philosophiestudent Hofstetter zugibt nicht zu verstehen – hat den Kulturadministratoren schon gereicht, um glücklich die virtuelle Zerstörung ihres Arbeitsplatzes zu finanzieren.

KIRSTEN RIESSELMANN

Eröffnung heute, 20 Uhr, im West Germany, Skalitzer Str. 133, 25. + 26. 5., 14 bis 20 Uhr geöffnet. „Cash & Copy“ (Lith Bahlmann, Hg.), Revolver Books, Frankfurt a. M. 2006, 80 Seiten