: Merkel setzt ein christliches Signal
Bei ihrem Besuch in China trifft sich die Bundeskanzlerin auch mit einem Bischof
PEKING taz ■ Es war nur ein 30-minütiges Gespräch, verbunden mit einem kurzen Kirchgang. Doch die gestrige Begegnung zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem 91-jährigen Bischof der Schanghaier Diözese, Aloysius Jin, beinhaltete jede Menge politisches Konfliktpotential. Dass die deutsche Regierungschefin während ihres Antrittsbesuchs in China weder Konfuzius- noch Himmelstempel in Peking besuchte, dafür aber Zeit für einen Kirchgang fand, muss die KP-Führer in Peking tief getroffen haben.
Es liegt im untilgbaren Rest ihres kommunistisches Bewusstseins, dass der Westen der durch den Kolonialismus verletzten chinesischen Tradition Respekt zu zollen habe. Das christliche Missionswerk in China ist aus dieser Sicht schwer belastet. Merkel dagegen verzichtete auf öffentliche Gesten des Respekts vor der chinesischen Kultur und betonte nach ihrem Besuch bei Jin, dass „zu einem offenen Land auch Religionsfreiheit gehört“. China aber ist das westliches Verständnis von Religionsfreiheit fremder als das westliche Demokratieverständnis. Denn die über Jahrhunderte hinweg säkularen Regierungen sahen sich immer wieder von radikalen religiösen Bewegungen bedroht.
Merkels prochristliches Signal steht im Zusammenhang mit einem sich verschärfenden Streit zwischen China und dem Vatikan. Peking brach nach der Revolution 1949 die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan ab und toleriert seither nur die staatlich kontrollierte katholische „Patriotische Kirche“ mit ihren 5 Millionen Mitgliedern. Daneben gibt es eine katholische Kirche im Untergrund mit geschätzten 5 bis 10 Millionen Mitgliedern. Zwischen beiden gibt es inzwischen zahlreiche Kontakte. Bischof Jin zählt zu den Grenzgängern zwischen den Lagern, die eine Aussöhnung mit Peking befürworten. Er selbst war als Bischof ursprünglich nur von der KP abgesegnet, fand später aber auch die Anerkennung des Vatikans – so, wie in den letzten Jahren immer mehr Bischöfe in beidseitigem Einverständnis ernannt wurden.
Vor diesem Hintergrund schien die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Peking und dem Vatikan näher zu rücken. Auf den Kommunistenhasser Johannes Paul II. folgte in Rom der gegenüber China weniger vorbelastete Benedikt XVI. Daraufhin fanden geheime Verhandlungen statt. Doch das Tauwetter schlug plötzlich um, als Benedikt XVI. mit dem Hongkonger Bischof Joseph Zen einen expliziten KP-Gegner zum Kardinal ernannte. Peking reagierte mit der Ernennung von Bischöfen ohne den Segen Roms. Ein Sprecher Benedikts XVI. sprach daraufhin von einer „schweren Wunde in der Einigkeit der Kirche“ und drohte mit der Exkommunizierung der ernannten Bischöfe. GEORG BLUME
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