: Der WM-Schreck verstellt sich
Costa Rica präsentiert sich beim 0:2 im Testspiel gegen eine Ferienauswahl Kataloniens als durchweg zweitklassige Mannschaft, glaubt aber notgedrungen weiter fest an einen Erfolg im WM-Eröffnungsspiel gegen die deutsche Elf
TERRASSA taz ■ Die Angst des Verteidigers vor der falschen Antwort packte Jervis Drummond. Er blickte starr geradeaus auf die Wand. Und das Gespräch starb einen langsamen Tod. Kennst du die deutschen Stürmer, Jervis? „Die Wahrheit ist, dass wir verschiedene Dinge wissen.“ Welche? „Einige Informationen haben wir.“ Aber, Jervis, weißt du denn überhaupt, wer die deutschen Stürmer sind? „Es wird viel informiert.“
Jervis Drummond, 29, ein schneller Außenverteidiger mit Chancen, Costa Rica im WM-Eröffnungsspiel in zwei Wochen in München gegen Deutschland zu vertreten, erinnerte in der Mittwochnacht daran, dass eine Weltmeisterschaft nicht nur ein Treffen cooler Stars ist: Auch beim größten Fest des Fußballs sind die meisten Teilnehmer von der Spitze des Klubfußballs weit entfernt – in jeder Hinsicht.
Aber können sie so schlecht sein? Costa Ricas 0:2 gegen eine Katalonien-Auswahl ließ einen sprachlos zurück. Die Madrider Sportzeitung As immerhin fand Worte: „Schrecklich. Wirklich traurig.“ Katalonien, das solche Spiele regelmäßig veranstaltet, um seinen nervigen Nationalismus auszuleben, versammelte gewöhnliche Profis aus Spaniens erster und zweiter Liga, trainierte einmal, spielte mit der Dynamik eines Ferienteams – und war Costa Rica doch deutlich voraus. Paulo Wanchope, Costa Ricas einziger Spieler, der sich, als Stürmer in England, international einen Namen gemacht hat, sagte alles in vier Worten: „Es muss besser werden.“
Die Geschichte lehrt, dass Costa Rica darauf hoffen kann. 1990 erreichte man die zweite Runde mit Siegen über Schottland und Schweden, 2002 scheiterte man nach einem Sieg über China und einem 1:1 gegen die Türkei nur wegen der Tordifferenz in der Vorrunde. Neun Spieler von jener WM sind noch dabei. Kann sich eine Elf derart verstellen und sich in nur zwei Wochen in einen WM-Schreck verzaubern?
Was dafür spricht, ist die Taktik. Gegen Katalonien probte Costa Rica für das zweite Vorrundenspiel in Hamburg gegen Ekuador und versuchte im 4-4-2-System mit Spielmacher und offensiven Außen mitzuspielen. Gegen Deutschland wird die Elf die Zentrale mit zwei defensiven Mittelfeldspielern verstopfen, Wanchope als einzigen Stürmer aufbieten und auf den einen Konter warten. Es ist eine technisch passable Mannschaft, doch die Schnelligkeit, der Rhythmus des internationalen Spiels geht ihnen ab, und ob der eine lange Ball auf Wanchope die Alternative sein kann? Nach einem gescheiterten Gastspiel in Katar ist er ohne Verein, das Beste, was sich in Terrassa über ihn sagen ließ, war: So elegant spielt die Fehlpässe keiner.
Zwei Tests stehen noch aus. So wie Katalonien die Ekuador-Imitation gab, soll die Ukraine am Sonntag dem dritten Vorrundengegner Polen ähneln und am Dienstag dann in Prag gegen Tschechien das Deutschland-Spiel geprobt werden. In Terrassa zeigte Verteidiger Jervis Drummond dann doch, dass Costa Rica noch nicht verloren ist. Ein Deutsch-Wörterbuch hat die Botschaft in San José jedem Spieler mit auf den Weg zur WM gegeben, hast du denn schon ein paar Wörter gelernt, Jervis? Und Jervis Drummond, die Angst vor der eigenen Antwort wich aus ihm, sagte, was echte Profis sagen: „Wir kommen nicht zur WM, um Deutsch zu lernen, sondern um Deutschland zu schlagen.“
RONALD RENG