: Der BND und die Wahrheit
Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Pressefreiheit und Wahrheit
„Die Pressefreiheit wird stranguliert, Richter schränken sie massiv ein“, kommentiert ein hoch angesehener, juristisch gebildeter Leitartikler einer süddeutschen Tageszeitung im Zusammenhang mit Berichten über das Verbot, Stasi-Verstrickungen gegen die frühere Ehefrau eines das MfS-Regime kommentierenden Schauspielers zu verbreiten; oder der Namensnennung eines Beamten der Bundespolizei, der bei den DDR-Grenztruppen Offizier war, im Zusammenhang mit dem letzten Maueropfer; oder dass sein Name im Bericht einer überregionalen Tageszeitung vielfach wiederholt wird.
In den kritischen Berichten zu diesen Entscheidungen wird zu Unrecht der Eindruck erweckt, als ob diese Rechtsprechung eine neue Erfindung wäre, als ob der Presse heute verboten wäre, was ihr bis gestern erlaubt war. Dabei hat die Rechtsprechung das Recht des Einzelnen auf Anonymität bereits in den ersten Entscheidungen des BGH aus den 50er-Jahren begründet. Als Zensur wurden sie nie rezipiert.
Grundlage ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das der Einzelne nur entfalten kann, wenn er sich außerhalb öffentlicher Wahrnehmung und Kontrolle bewegen kann. Die Pressefreiheit garantiert die Verfassung gegen Eingriffe und Kontrollen durch den Staat, ohne damit Grundrechten anderer Grundrechtsträger gleichsam automatisch vorzugehen.
Das heißt: So weit die Freiheit der Presse in Konflikt mit den Rechten Dritter gerät, muss sie abgewogen werden gegen deren Interessen. Wenn diese Abwägung zu Gunsten des Dritten ausgeht, dann darf die Presse – ausnahmsweise – die Wahrheit nicht schreiben. Das wird häufig gerade dann der Fall sein, wenn kein berechtigtes öffentliches Interesse daran besteht, zu erfahren, wer was wie gemacht hat – also immer dann, wenn private Dinge in Rede stehen, es sei denn, der Private hat sein Privates längst veröffentlicht. Auch bei sozialer Kommunikation, Ausübung des Berufs oder bürgerschaftlichen Engagements muss die Presse stets prüfen, ob sie nicht über den die Öffentlichkeit interessierenden Sachverhalt auch ohne Individualisierung der Beteiligten berichten darf.
Das war in den 50er-Jahren so, das war danach so und ist bis heute so geblieben und wird – allem Gejammer hochmögender journalistischer Interessenswalter zum Trotz – so lange so bleiben, bis von der Verfassung der Persönlichkeitsschutz des Einzelnen der Freiheit der Presse, eines jeden Sphäre ungefragt zu penetrieren, untergeordnet wird. Schwer vorstellbar, dass sich dazu eine Mehrheit je bereit finden wird.
Unser Autor ist als Anwalt an entsprechenden Verfahren zur Durchsetzung des Persönlichkeitsrechts gegen wahre Presseberichte beteiligt