: „Mit uns übt man ungern Solidarität“
Kurt Krickler von der Initiative Queer Nations war bei den Angriffen in Moskau dabei
taz: Herr Krickler, wie geht es Ihnen?
Kurt Krickler: Den Umständen entsprechend. Ich bin mit einem blauen Auge davongekommen im wahrsten Sinne des Wortes.
Was ist passiert?
Wir hatten die Demo vor dem Rathaus verlassen. Und waren vorsichtig, denn wir wussten, dass Jugendliche und Skinheads uns verfolgen.
Die Moskauer Homosexuellen hatten ja ohnehin keine Parade angekündigt.
Sie hatten sehr wohl, aber sie bekamen vom Bürgermeister nicht die Erlaubnis.
Und was war dann der Plan?
Zum Ehrenmal zu ziehen und dort Blumen niederzulegen. Aber immer nur in kleinen Gruppen.
Wie hat die Moskauer Polizei auf diese Paraden reagiert?
Die hat vor allem Duma-Abgeordnete geschützt, die gegen uns gewettert haben.
Und der grüne Abgeordnete Volker Beck?
Um den stand die Polizei herum, aber nicht um ihn vor Angriffen zu bewahren, sondern um ihn abzudrängen und in Gewahrsam zu nehmen. Er wie alle anderen galten als Unruhestifter, nicht die Angreifer.
Wie haben Moskauer Aktivisten reagiert?
Die Bewegung in Moskau war ja leider gespalten – die einen meinten, man solle die Rechten nicht provozieren, andere sagten, eine solche Haltung deprimiere nur. Stattdessen soll man Moskau als europäische Stadt nehmen – in der selbstverständlich das Recht auf Demonstrationen gelte.
Wird es 2007 wieder einen Versuch geben, einen CSD zu organisieren?
Ich hoffe sehr. Diese Aggressionen waren nicht heftig genug, um uns einzuschüchtern. In Belgrad allerdings, wo es 2001 ähnliche homophobe Attacken von Polizei in Union mit Rechten gab, hat sich die Bewegung bis heute nicht von den Angriffen erholt.
Hatten Sie Unterstützung von der heterosexuellen Zivilgesellschaft?
Nein. Das ist eigentlich das Traurige. Sie waren einfach stumm. Keiner hat uns geholfen – wir sind offenbar keine Menschen, mit denen man gern Solidarität übt.
Ist der Vorfall Teil einer europäischen Misere?
Ja, es sieht düster aus. Aber wir müssen weiterkämpfen, so wie in Westeuropa.
INTERVIEW: JAN FEDDERSEN