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Archiv-Artikel

„Das kann langfristig segensreich sein“

US-Präsident Bush ist im Nahen Osten weitgehend gescheitert, sagt Amerika-Experte Peter Rudolf von der Stiftung Politik und Wissenschaft

taz: Herr Rudolf, wir erleben die schwersten Unruhen in Afghanistan seit dem Taliban-Sturz, ein Pentagon-Bericht wird US-Soldaten kaltblütiges Morden nachweisen, ein weiteres moralisches Disaster nach Abu Ghraib, und der Iran bastelt selbstbewusst an der Atombombe. Ist die amerikanische Außenpolitik mit dem Ziel der Neuordnung des Nahen Ostens gescheitert?

Peter Rudolf: Zurzeit sieht es so aus. Iran ist nicht davon abzubringen, Uran anzureichern. Die Wahlen in Palästina haben die Hamas hervorgebracht, und der Irak droht im Bürgerkrieg zu versinken. Der einzige Erfolg ist Libyen, das von der Terrorliste gestrichen wurde und mit dem die USA nun diplomatische Beziehungen aufgenommen haben. Insgesamt gilt: Bush ist gescheitert.

Und der Iran ist Gewinner des Irakkrieges dank des schiitischen Einflusses auf den Irak?

Das ist eine Frage der Einschätzung, ob die Schiiten tatsächlich so sehr auf Teheran hören, wie das unterstellt wird. Dort gibt es eine größere Unabhängigkeit als angenommen. Aber der Iran hat profitiert vom Irakkrieg. Und die Gefahr einer weiteren militärischen Intervention der USA scheint gegenwärtig eher gering.

Steht und fällt mit der Situation im Irak die US-Nahostpolitik?

Der Frieden in Palästina hängt nicht vom Irak ab, das war eine Fehleinschätzung der US-Neokonservativen. Der beabsichtige Abschreckungseffekt des Irakkrieges ist zudem gering.

Was den Irak betrifft, scheint es so, als gäbe es nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera, Abzug mit Vakuum oder Bleiben als verhasste Besatzungsmacht. Was tun?

Auf diese Frage, gestehe ich, gibt es vielleicht gar keine Antwort. Momentan geht es vor allem um Glaubwürdigkeit. Ziehen die Amerikaner rasch ab, verlieren sie diese. Und das können sie sich momentan wohl am wenigsten leisten.

Hat Colin Powell Recht: „You break it, you own it“?

Ob ein Abzug oder Bleiben den Bürgerkrieg verstärken oder abschwächen würde, ist völlig unklar. Aber aus einer moralischen Perspektive hat Powell Recht.

Kann Bush denn gar nichts Positives in Nahost vorweisen?

Ein Erfolg der US-Politik wird leicht übersehen. Dieser ist nicht messbar. Mit ihrer Demokratisierungs- und Liberalisierungsagenda haben die USA offenbar den Diskurs im Nahen Osten verändert, auch wenn in der tatsächlichen US-Politik die Frage der Demokratisierung nicht immer eine große Rolle spielt. Das kann langfristig segensreich sein.

Trotz aller Desaster haben die Amerikaner also ein Samenkorn der Demokratisierung gesät?

Durch Washingtons veränderte Rhetorik ist auch international und in der Region eine Debatte angestoßen worden: wie man autoritäre Regime vielleicht nicht gleich demokratisieren, aber zumindest öffnen kann. Die Tatsache, dass die Bush-Regierung nach dem Wahlsieg der Hamas von dieser Agenda nicht abgerückt ist, zeigt, dass es ihr ernst ist und sie bereit ist, unangenehme Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen.

Henry Kissinger und Francis Fukujama sehen bereits das Ende der neokonservativen Interventionspolitik. Was kommt danach?

Ich bin mir nicht sicher. Ich würde es auch nicht generell als neokonservative Politik bezeichnen. Es ist vor allem eine Politik dieses Präsidenten. Auf den Iran gemünzt, bedeutet sie: Bush wird nicht akzeptieren, dass Iran Nuklearwaffen besitzt. Ich traue dieser Regierung durchaus Überraschungen zu, sei es doch noch die Aufnahme direkte Verhandlungen mit Teheran, oder, wenn Diplomatie und Sanktionen erfolglos bleiben, die Zuflucht zu Angriffen auf iranische Atomanlagen.

INTERVIEW: MICHAEL STRECK