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Archiv-Artikel

Schunkeln und Schweigen

BALSAM Ein überzeugender Sieg gegen Stuttgart, eine gute Torwartleistung, ein neuer Vertrag für das Juwel – Schalke tut endlich mal was für seine Fans. Nur das ZDF ist böse zu den Knappen und wird prompt boykottiert

Die fröhliche Adventsstimmung auf Schalke ist alles andere als stabil

AUS GELSENKIRCHEN DANIEL THEWELEIT

Die Verantwortlichen des FC Schalke 04 überlegen sich in diesem schwierigen Fußballherbst sehr genau, mit welchen Maßnahmen sich Launen und Stimmungen rund um ihren Klub beeinflussen lassen. So haben sie sich Geheimhaltung verordnet, als vor drei Wochen der Vertrag mit Max Meyer verlängert worden ist, sie wollten die Veröffentlichung dieser Nachricht effektvoll inszenieren. Vor dem 3:0 gegen den VfB Stuttgart, das am Ende zu einem großen Fest der Versöhnung wurde, war es dann so weit. Mittels eines eigens produzierten Trickfilmchens wurde dem Publikum mitgeteilt, dass das 18-jährige Juwel, das von englischen Spitzenklubs wie dem FC Chelsea umworben war, bis 2018 bei Schalke bleiben wird.

Der Revierklub braucht solche Stimmungsaufheller, denn die biederen sportlichen Darbietungen gaben zuletzt wenig Anlass zur Euphorie. An diesem Abend überdauerte die Freude über die Nachricht von der Vertragsverlängerung tatsächlich 90 Minuten Schalker Fußballrealität. „Wir haben heute viele Punkte, die wir uns vorgenommen haben, abgearbeitet“, sagte Julian Draxler und zählte auf: „Laufbereitschaft, Engagement, Spielfreude.“ Schalke hat mal wieder richtig gut Fußball gespielt, und das sei „so nicht zu erwarten“ gewesen, meinte Trainer Jens Keller.

Noch am Tag vor dem Spiel war die Gesamtlage überaus prekär. Der zuletzt so starke Dennis Aogo hatte sich nach einem Zusammenprall mit Torhüter Ralf Fährmann im Abschlusstraining ein Kreuzband gerissen. Nach dem 0:0 in Bukarest unter der Woche hatten die Schalker außerdem viel Kritik einstecken müssen, es war von Verstimmungen innerhalb des Kaders die Rede. Und ganz grundsätzlich kursieren Zweifel an der Tauglichkeit von Trainer, Management und Aufsichtsrat. Dass Schalke ausgerechnet in dieser Melange der negativen Einflüsse „die Sicherheit wieder drin“ hatte, wie Kevin-Prince Boateng meinte, ist schon erstaunlich.

Jefferson Farfan, der die ersten beiden Tore erzielte (34., 47.), brachte seine beste Saisonleistung, Jermaine Jones, der den dritten Treffer schoss (70.), machte „ein Bombenspiel“, hob Keller hervor. Die Defensive stand gut, es fiel noch nicht einmal ins Gewicht, dass Anführer Boateng eher unauffällig blieb. Und mit Ralf Fährmann hatte der FC Schalke endlich mal wieder einen Torhüter auf dem Rasen, der Sicherheit ausstrahlte. „Ich würde mich wieder aufstellen“, meinte Fährmann schelmisch, zweimal ist die Nummer zwei hinter dem umstrittenen Timo Hildebrand nun ohne Gegentreffer geblieben. Vielleicht hat Schalke tatsächlich eine neue Nummer eins.

Aber natürlich ist die fröhliche Adventsstimmung, in die die Anhänger sich in der Schlussphase schunkelten, alles andere als stabil. Schon das Pokalspiel gegen die TSG Hoffenheim am Dienstag birgt die Gefahr zur nächsten Katastrophen – genauso wie das wichtige Spiel in Mönchengladbach am nächsten Wochenende und das entscheidende Duell um den Einzug ins Champions-League-Viertelfinale in neun Tagen. Zuletzt haben sie sich in den Momenten, in denen die Lage zu eskalieren drohte, immer noch fangen können, aber diese Vorliebe für Extremsituationen, wird gewiss nicht immer gut ausgehen. Schalke 04 befinde sich auf einem „Ritt auf der Rasierklinge“, meinte Manager Horst Heldt, der am Samstag einen ungewöhnlichen Protest verordnete.

Nach dem Sieg durfte kein Schalker mit dem ZDF sprechen, das die Partie als Topspiel im Sportstudio präsentierte. Der Sender zeigt am finalen Spieltag der Champions-League-Gruppenphase das Duell des BVB in Marseille und nicht die entscheidende Partie der Gelsenkirchener gegen den FC Basel. Von den sechs Free-TV-Spielen fielen damit zwei auf Bayern München, eines auf Leverkusen, drei auf Borussia Dortmund und keines auf Schalke. Dieter Gruschwitz, der Sportchef des Senders hatte erklärt: „Der BVB spielt den attraktiveren Fußball, und die Quoten sind besser.“ Nun konterte Heldt: „Wir finden es nicht attraktiv genug, mit denen zu sprechen“, und ergänzte, die Begründung des ZDF sei „nicht akzeptabel“. Die vergangenen Wochen der königsblauen Biederkeit haben eben Schäden hinterlassen, die sich auch nicht reparieren lassen mit einem einzigen guten Spiel.