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Archiv-Artikel

die taz vor 19 jahren über die bewegung zum volkszählungsboykott

Die eben aufbrechende Diskussion über die Anzahl der Volkszählungsboykotteure kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur ein Ergebnis haben: die so schwungvoll begonnene, dezentral organisierte Bewegung zum Boykott der Volkszählung an ihrem zentralen Punkt zu lähmen. Und nichts anderes hat die Bundesregierung im Sinn, wenn sie, gestützt auf willkürlich festgesetzte Verweigererquoten, behauptet, die Boykottbewegung stehe „immer mehr auf verlorenem Posten“.

Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann zumindest bleibt bisher die absoluten Zahlen der abgegebenen, ausgefüllten Bögen als Beweis für die vermeintliche „breite Zustimmung der Bevölkerung“ schuldig. Überdies ist bekannt, daß ein Großteil der Auskunftspflichtigen die Entscheidung über eine Teilnahme an der Volkszählung hinauszögert. Zur großen Überraschung der Behörden will zudem fast die Hälfte der bislang Befragten den Zählbogen per Post verschicken.

Ob der Fragebogen ehrlich, falsch, vollständig oder gar nicht ausgefüllt wird, darüber sind sich selbst manche Linke noch unschlüssig. Sicher ist: Vielen scheint es diebischen Spaß zu bereiten, den Bogen erst zum spätesten möglichen Zeitpunkt anzunehmen. Gerade auch dieses Spielchen hat die Volkszählungs-Boykott-Bewegung monatelang propagiert.

Rund eine halbe Million Menschen haben ihren Bogen bisher an die „Altpapier“-Sammelstellen verschickt und riskieren damit eine Geldbuße. Ob sich ihre Zahl vervielfachen wird, hängt jetzt auch davon ab, ob sich die Bewegung auf den von der Grünen Waltraud Schoppe angeregten vorzeitigen Abbruch des Boykottspiels einläßt. Wer fünf Tage nach dem Stichtag der Volkszählung die VoBo-Bewegung für gescheitert erklärt, kann es mit dem Boykott nicht ernst gemeint haben. Umso ärgerlicher und teurer für Boykotteure, wenn den Aktivisten schon jetzt die Puste ausgeht.

Petra Bornhöft, taz v. 1. 6. 1987