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Archiv-Artikel

Die Ozeane werden sauer

Zunehmendes Kohlendioxid in der Atmosphäre schädigt Flora und Fauna der Weltmeere

BERLIN taz ■ Der Säuregehalt der Weltmeere nimmt zu. Der Grund liege im ungebremsten vom Menschen verursachten Ausstoß von Kohlendioxid, erklärte gestern der wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderung (WBGU), der die Bundesregierung in Umweltfragen berät. Die sauren Meere bedrohen unter anderem Korallen, die Kalk zum Wachstum brauchen. Doch auch andere Lebewesen, die für die Nahrungskette wichtig sind, sind in Gefahr.

„Die Menschheit ist dabei, Veränderungsprozesse im Meer anzustoßen, die in den letzten Jahrmillionen ohne Beispiel sind“, erklärte der WBGU gestern anlässlich der Übergabe eines Sondergutachtens an die Bundesregierung. Darin beschreiben die Wissenschaftler auf rund 100 Seiten, welche Folgen das von Menschen produzierte Kohlendioxid (CO2) und die damit zusammenhängende Klimaveränderung auf die Meere haben.

Zum Beispiel Plankton: Alle Meeresbewohner bis hin zum Thunfisch oder Hai ernähren sich direkt oder indirekt von diesen kleinen Teilchen. Am Beginn der Nahrungskette steht das Phytoplankton, das seine Energie durch Photosynthese gewinnt. Diese sogenannte Primärproduktion ist seit den 80er-Jahren in neun von zwölf Ozeangebieten um mehr als 6 Prozent gesunken – vor allem im hohen Norden. Die Wissenschaftler begründen dies mit den steigenden Wassertemperaturen und der schlechteren Nährstoffversorgung des Planktons. Das hat Auswirkungen auf den Bestand von Kleinkrebsen, von denen sich wiederum die Larven des Nordseekabelajus ernähren.

Am Ende ist natürlich auch der Mensch betroffen. 15 Prozent des weltweit konsumierten tierischen Eiweißes stammt vom Fisch. Hinzu kommen die weitaus dramatischeren Folgen eines steigenden Meeresspiegels und von Wirbelstürmen, deren Zerstörungskraft mit höheren Temperaturen zunimmt.

Deshalb fordert der WBGU einen verstärkten Küstenschutz, der aber auch einen Rückzug des Menschen aus gefährdeten Gebieten einschließt. Zudem sollten etwa 20 bis 30 Prozent der Meeresflächen zu Schutzgebieten werden, um den Tierbestand nicht durch Überfischung zusätzlich zu gefährden. Einer Einleitung von CO2 in die Tiefsee, die als eine Möglichkeit zur Emissionsverringerung diskutiert wird, erteilen die Wissenschaftler eine klare Absage. Und die Einlagerung von CO2 in Gesteinshöhlen unter dem Meer sollte nur dann möglich sein, wenn ihre Umweltverträglichkeit für mindestens 10.000 Jahre sicher ist. STEPHAN KOSCH