Polizei als Putztruppe

Die Stadt Köln lässt das besetzte Barmer Viertel räumen. Die Wohnungen sollen bis Monatsende abgerissen werden, obwohl es immer noch keinen Investor für das Gelände neben der Messe gibt

AUS KÖLN DIRK ECKERT

Am Ende leistete nur noch einer Widerstand: Benny, der Besetzerhund. Der kleine Vierbeiner hatte sich auf eine Fensterbank im obersten Stockwerk eines besetzen Hauses geflüchtet. Die Polizei musste zwei Beamte einsetzen, um ihn aus dem Gebäude zu schaffen. Dann war das Barmer Viertel in Köln endgültig geräumt.

Rund drei Monate waren die Häuser neben der Kölner Messe besetzt. Gestern Morgen um 4 Uhr kam dann die Polizei mit mehreren hundert Beamten und umstellte das Viertel. Die Stadt will die Häuser abreißen lassen, um Platz für Bürobauten sowie einen neuen Eingang zur Kölner Messe zu machen. Nach und nach durchkämmte die Polizei die 260 Wohnungen. Rund 35 Menschen wurden dabei festgenommen, nach Angaben der Polizei ohne Gegenwehr. „Wenn nichts gegen sie vorliegt, werden sie wieder entlassen“, versicherte Polizeisprecher Jürgen Laggies.

Die Räumung selbst begründete die Polizei damit, dass in dem Viertel vermehrt Straftaten registriert wurden, seit die Häuser besetzt sind. Außerdem hätte die Stadt mit Feuerwehr und Gesundheitsamt die hygienischen und baurechtlichen Zustände überprüfen wollen. „Aber man hat ihnen den Zutritt verwehrt“, sagte Polizeisprecher Laggies. Deshalb habe die Polizei eingreifen müssen. „Was dann mit den Gebäuden passiert, muss die Stadt entscheiden.“

Am Mittag rückten dann die ersten Bauarbeiter an und begannen, die Fenster herauszubrechen. „Die politische Entscheidung ist gefallen“, sagte Stadtsprecher Jürgen Müllenberg der taz. Bis zum 30. Juni müsse der Besitzer, die Genossenschaft Erbbauverein, die Häuser abreißen – wie vertraglich vereinbart. Bis dahin dürften die Häuser nicht mehr betreten werden. Die Bauaufsicht habe Mängel wie zugestellte Rettungswege oder brennbare Stoffe entdeckt. Die Stadt habe dem Erbbauverein daher die Auflage erteilt, die Nutzung der Wohnungen bis zum Abriss zu verhindern. Der Erbbauverein war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

„Unverhältnismäßig“ nannte Martin Massip von der Initiative Barmer Viertel die Räumung. Die Initiative, die sich für den Erhalt der historischen Genossenschaftswohnungen einsetzt, kritisierte, dass es immer noch keine Bauplanung und keinen Investor für das Gelände gebe. Tatsächlich hat bisher nur die Initiative Barmer Viertel ein Kaufangebot für das Barmer Viertel unterbreitet: Nach ihren Plänen soll eine Genossenschaft gegründet werden, die das Viertel kauft. So könnten die Wohnungen erhalten werden. Die Stadt lehnt das jedoch ab. Ein für morgen angesetztes Gespräch mit der Initiative wurde kurzfristig abgesagt.

Kritik am Vorgehen der Stadt kam auch von Grünen und Linkspartei. Die Räumung sei „eine völlig unnötige Machtdemonstration der Kölner Verwaltungsspitze“, sagte Grünen-Vorstandssprecher Jörg Penner. „Bis Neubauten konkret geplant und finanziert sind, könnte der Barmer Block zwischengenutzt werden – etwa für Studentenwohnungen.“ Die Linkspartei nannte die Räumung „rechtlich gesehen mehr als fragwürdig. Es gibt keinen Räumungsbescheid“, kritisierte Ratsherr Jörg Detjen.