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Archiv-Artikel

Retter im Wattenmeer

NORDSEE Der Rettungsdienst Nordfriesland ist auch für die Inseln und Halligen zuständig. Da kann es schon mal vorkommen, dass Rettungsassistenten Arzt spielen müssen, bis der Notarzt eintrifft. Die Ausbildung dauert deshalb ein Jahr länger als anderswo

Von ASL

So schön es an der Nordseeküste auch ist: Es kann dort – wie gerade wieder zu erleben – auch ganz schön ungemütlich werden. Das stellt auch den Rettungsdienst vor besondere Herausforderungen. In Nordfriesland, Deutschlands nördlichstem Landkreis, leben auf über 2.000 Quadratkilometern rund 160.000 Menschen, über 20.000 davon auf Inseln und Halligen im nordfriesischen Wattenmeer.

Als Halligen bezeichnet man kleine Marschinseln. Sie erheben sich nur wenige Meter über das Meer, bei starker Flut werden sie überschwemmt, nur die Häuser auf den Warften schauen dann noch aus dem Wasser. Zehn dieser kleinen Inseln gibt es heute noch, sieben davon sind bewohnt. Auch für die Menschen auf den Inseln und Halligen muss notärztliche Versorgung gewährleistet sein. Sebastian Rösch kümmert sich seit 2010 als Ausbildungsbeauftragter für den Rettungsdienst Nordfriesland darum, dass stets ausreichend gut geschultes Personal dafür zur Verfügung steht.

Statt der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestdauer von zwei Jahren lernen die angehenden Rettungsassistenten in Nordfriesland drei Jahre lang. „Die Ausbildung besteht aus Schule und der Arbeit im Rettungsdienst“, erklärt Rösch. „Der schulische Teil der Ausbildung findet an der Rettungsdienstakademie in Heide statt. Der praktische Teil wird komplett bei uns absolviert“, erklärt Rösch. Dabei werden die Auszubildenden besonders daraufhin geschult, eigenständig lebenserhaltende und lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, bis der Notarzt eintrifft und den Patienten übernimmt. „Wir rücken damit nicht vom Notarztsystem ab“, betont Rösch. „Aber als zusätzliche Rückfallebene wollen wir, dass unsere Rettungsassistenten die Patienten nach den Standards der modernen Notfallmedizin versorgen können, wie es auch ein Notarzt kann.“

Die Gründe dafür liegen in den geographischen Gegebenheiten. Selbst auf dem Festland sind die Wege oft weit, und dann gibt es ja auch noch die Inseln. „Obwohl wir die gesetzliche Hilfsfrist für Notärzte einhalten, können wir in extremen Situationen nicht so schnell auf Notärzte zugreifen“, sagt Rösch. „Deswegen legen wir Wert darauf, dass der Patient sich immer sicher fühlen kann, auch wenn der Notarzt schon anderswo im Einsatz ist.“

Auf den Halligen sorgen dafür zusätzlich die Halligpfleger. Sie übernehmen in Rücksprache mit dem Hausarzt auf dem Festland alle hausärztlichen Tätigkeiten und sind auch in Notfällen die erste Anlaufstelle. Den Halligpflegern stehen die Halligretter zur Seite, eine Gruppe von Freiwilligen, die meist zur Freiwilligen Feuerwehr gehören. Auch sie werden vom Rettungsdienst Nordfriesland ausgebildet.

Dass die ihre Arbeit gut machen, kann lebensrettend sein: „Wir hatten vor zwei Jahren den Fall, dass eine Frau auf den Halligen einen Herzstillstand hatte“, erzählt Rösch. „Die Halligretter und der Halligpfleger hatten die Situation aber so gut im Griff, dass die Patientin schon wieder gelebt hat, als der Rettungskreuzer nach einer Stunde kam. Die wurde dann noch ins Krankenhaus transportiert, um die weitere Genesung zu sichern, was auch gelungen ist, Gott sei Dank.“

Rettungskreuzer müssen nur bei extremem Wetter ausrücken. Wobei das Wetter an der Küste eben oft heftige Kapriolen schlägt. Nebel, Schnee und Sturmfluten erschweren den Rettern die Arbeit. Bei dichtem Nebel hilft der Rettungskreuzer. Bei Sturmfluten allerdings kann er zumindest nicht an den Halligen anlegen, weil dort Land unter ist. „Dann kann eigentlich nur noch der Hubschrauber kommen und den Patienten mit der Winde bergen“, sagt Rösch. „Ich kann mich aber nicht erinnern, dass das in meiner Zeit hier schon mal vorgekommen wäre.“

Auch ohne extremes Wetter stellt die geografische Lage Nordfrieslands Retter vor besondere Aufgaben. „Im Sommer verzigfachen wir unsere Bevölkerung wegen der vielen Kurgäste“, sagt Rösch. Zusätzliche Rettungswagen und Nachtschichten werden dann gefahren.

Manchmal kommt dann auch ein ganz besonderes Transportmittel zum Einsatz: Die Halligbahn verbindet Langeneß und Oland mit dem Festland: In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde die einspurige Schmalspurbahn gebaut, die mit Loren befahren wird. Meist selbst gebaut, können sie auch größere Gruppen transportieren. Im Sommer gibt es viele Kutschfahrten durchs Watt. „Wenn so eine Kutsche umkippen würde mit 20 oder 30 Passagieren“, so Rösch, „können die mit speziellen Loren über den Damm zum Festland gebracht werden.“  ASL