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Archiv-Artikel

Sonderzug aus Polen

Die polnischen Hooligans gelten als besonders brutal und sind in keiner Hooligan-Datei erfasst. Wenn bei der WM nun das polnische Team in Hannover auf Costa Rica trifft, gilt für die niedersächsische Polizei höchste Alarmbereitschaft

Laut Statistik leben 28.746 Polen in Niedersachsen. Von allen acht Mannschaften, die in der Vorrunde der WM in Hannover spielen, hat die polnische damit die größte Fangemeinde vor Ort. Außerdem werden tausende Polen zur WM ins Nachbarland reisen, werden die Großveranstaltungen in Berlin besuchen oder das Quartier ihrer Mannschaft im niedersächsischen Barsinghausen, wo der Arbeiter-Samariter-Bund eigens ein Zeltkamp für Fans errichtet hat.

Den meisten dieser Fans wird es um Fußball gehen. Doch mit dem Strom werden auch polnische Hooligans nach Deutschland kommen, und die sind von der Polizei besonders gefürchtet. Sie gelten als die härtesten in der Szene, sind oftmals paramilitärisch ausgebildet und in den letzten Wochen mit blutigen Nachrichten in der polnischen Presse präsent gewesen.

Anders als in England, Holland oder Deutschland gibt es in Polen keine Datei „Gewalttäter Sport“, in der Hooligans registriert sind. Folglich können die polnischen Behörden ihren deutschen Kollegen keine detaillierten Datensätze liefern, sondern lediglich allgemeine Hinweise: 580 Personen mit Stadionverbot hätten die polnischen Behörden gemeldet, so Klaus Engemann vom niedersächsischen Innenministerium. Außerdem habe man Informationen über die Gewaltbereitschaft und die rechtsextremen Motive der polnischen Hooligans.

In Hannover wird die polnische Mannschaft am 20. Juni auf Costa Rica treffen, ein Spiel, für das höchste Bereitschaft gelte, so Engemann. Man erwarte mehrere Sonderzüge aus Polen, aber wie genau die Sicherheitsmaßnahmen aussehen werden, darüber machen die Behörden prinzipiell keine Angaben. Nur so viel: „Wir haben zehn Kontaktbeamte aus Polen. Die werden die Hooligans beobachten.“

Der Grund, aus dem die polnischen Behörden über keine Hooligan-Datei verfügen, ist schlicht: Man braucht dafür noch Erfahrung und Zeit. „Von den Kontakten zu unseren Partnern in Deutschland und England lernen wir viel“, zitiert die FAZ die zuständige Danziger Polizeikommandantur. „In ein paar Jahren werden wir auch so weit sein.“

Unklar ist außerdem, wie sich die polnischen Hooligans tatsächlich in Deutschland verhalten werden. In Polen nämlich sind die einzelnen Hooligan-Gruppen stark untereinander verfeindet und Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagt, es gebe derzeit keinen Hinweis darauf, dass sich die Hooligan-Szenen zusammenschließen würden. Szenekenner in Polen allerdings vermuten, dass die Clubrivalitäten fallen, sobald man gemeinsam die Grenze übertreten hat. Auch hier gibt es schlicht noch keine Erfahrungswerte.

Noch problematischer als das Spiel in Hannover dürften die ersten beiden Spiele der polnischen Mannschaft sein: Am 9. Juni trifft das Team in Gelsenkirchen auf Ecuador, wobei die NPD am Tag darauf einen Aufmarsch in der Stadt angekündigt hat. Und am 14. Juni spielt Polen gegen Deutschland in Dortmund, wo die Polizei mehr als 300 Borussia-Fans als gewaltbereit einstuft. Klaus Irler