Der Ballack ist ab

Mit neuer CD, viel Fangesang und einem Roman über die eigene fußballerische Jugend kämpfen Sportfreunde Stiller um einen Platz im popmusikalischen Team Deutschland

Die Sportfreunde Stiller hatten schon immer eine Schwäche für Leibesertüchtigung. Ein Album taufte man „So wie einst Real Madrid“, später glänzte man mit Wortspielen wie „Ich Roque“ oder „Lauth anhören“. Im Vorfeld der Fußball-WM fallen nun alle Hemmungen: Es ist wie beim Kick and Rush – ein blindwütiges Anrennen auf dem gesamten Feld, eine Angriff von beiden Flügeln. Mit Platte und Buch.

Da ist zunächst „You Have To Win Zweikampf“, ein Album voller Songs über die schönste Nebensache der Welt. Die mag momentan eher wirken wie das älteste Gewerbe der Welt, aber das Münchner Trio lässt sich die Vorfreude, ganz der überzeugte Sportfreund, nicht verderben. Auf der aktuellen Single „’54, ’74, ’90, 2006“ wird gar die Mär nachgebetet, ein WM-Titel könnte dieses Land erretten: „Für unsren langen Weg aus der Krise / Und aus der Depression / Lautet die Devise / Nichts wie rauf auf den Fußballthron.“ Passenderweise scheinen die Melodien entworfen von einem Haufen Schwarz-Rot-Gold grölender Fans und die Reime kommen so grobmotorisch daher wie das Kombinationsspiel des deutschen Teams. Beschworen wird der Duft von frisch umgepflügtem Rasen und der Geist legendärer Ballkünstler („Ich konnte zaubern wie Pele und trinken wie George Best“), während Mutti empfiehlt: „Mach nicht mit bei diesem Lümmelspiel.“

Schon lange vor diesem Album war klar, dass Sportfreunde Stiller nicht dank begnadeter Dichtung in die deutsche Pophistorie eingehen würde, aber so ausführlich bedienten sie sich in ihrer Sprache noch nie beim Schlachtenlärm der Sportkommentatoren: Im Song „Fritz’ sein Wetter“ bekommt man „die zweite Luft“, „mit dem Herz in der Hand“ wird alles gut, und wer verliert, muss nur den „Kampf annehmen“.

Kein Glücksfall ist auch „You’ll Never Walk Alone“, ein so genannter Fußballroman von Sportfreunde-Schlagzeuger Florian Weber. Der diplomierte Sportwissenschaftler betreibt als Nebenprojekt die Bolzplatz Heroes, hat als jugendlicher Anhänger des TSV 1860 München ein Probetraining bei den Bayern absolvieren müssen und nun aufgeschrieben, wie ein fußballbegeistertes, zufällig auch Schlagzeug spielendes Ich und dessen größerer Bruder zusammen Fußball spielen, viel Alkohol zu sich nehmen, oft AC/DC hören, die Schule ignorieren, das andere Geschlecht entdecken und noch mehr Fußball spielen.

Auch wenn man nicht weiß, wie’s ausgeht, richtig spannend wird’s nicht. Auch deshalb, weil Weber zwar zu erzählen hat, was jedes männliche Wesen durchmachen muss, bevor es erwachsen wird: verpasste Chancen, peinliche Fehltritte und den Kater danach. Aber leider weiß er nicht, warum er seiner Zielgruppe erzählen will, was die eh schon weiß. Die Vergangenheit ist ihm kaum mehr als eine muffige Umkleide, in der er nicht einmal besonders komische Anekdoten findet.

Weber behauptet, sein Roman sei keineswegs autobiografisch, was ihm dem Vernehmen nach nicht einmal sein eigener Bassist glaubt. Aber wie viel spannender wäre doch das Tagebuch eines gescheiterten Möchtegernfußballstars geworden, der in Ermangelung einer Profikarriere dann halt Popstar wird? In München spielen die Sportfreunde Stiller mittlerweile im Olympiastadion. Die Fußballer sind derweil umgezogen in die neue, schmucke Allianz-Arena. Wenn das mal nicht tragisch ist.

THOMAS WINKLER

Sportfreunde Stiller: „You Have To Win Zweikampf“ (Universal)Florian Weber: „You’ll Never Walk Alone“, rororo, broschiert, 256 Sei-ten, 10 €