: Verhöre und andauernde Todesangst
Psychisch angeschlagen verfolgt der Neu-Ulmer Khaled al-Masri, wie im BND-Ausschuss seine Verschleppung aufgeklärt wird. Ein Behandlungszentrum für Folteropfer attestiert ihm eine schwere Belastungsstörung. Sein Anwalt hofft auf Entschädigung
AUS NEU-ULM RÜDIGER BÄSSLER
Er ist wieder Thema. Mit seiner Frau und den Kindern harrt Khaled al-Masri in seiner Wohnung in Neu-Ulm aus. In Berlin, im Untersuchungsausschuss kam raus, dass ein BND-Beamter früh von seiner Verschleppung wusste. Aber al-Masri vermeidet es, über seine Entführung weiter zu sprechen. Er muss seine Erlebnisse verarbeiten. Immerhin: Inzwischen bekommt er dabei professionelle Hilfe.
Der heute 42-Jährige war am Silvestertag 2003 an der mazedonischen Grenze entführt und vom US-Geheimdienst fünf Monate an unbekanntem Ort gefangen gehalten worden. Seit seiner Verschleppung hat der frühere Autohändler keine Arbeit mehr, er lebt von Arbeitslosenhilfe. Es dauerte eine Weile, bis er als Patient im Ulmer Behandlungszentrum für Folteropfer aufgenommen wurde. Dort, berichtet sein Anwalt Manfred Gnjidic, ist ihm eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert worden – ausgelöst durch Verhöre und lang andauernde Todesangst. Albträume, Erinnerungsattacken, Schreckhaftigkeit und Schlafstörungen gehörten zu den Symptomen, an denen sein Mandant leide. Al-Masri, der sich in apathischer Stimmung befinde, habe „wenig Interesse an seinem vorherigen Leben und derzeit wenig Pläne für die Zukunft“, zitiert Gnjidic aus dem Krankenblatt seines Mandanten. Die Therapie werde lange dauern.
Der Anwalt kämpft weiter um eine finanzielle Entschädigung. Die Abweisung der Klage vor dem US-Bundesgericht in Alexandria bei Washington DC im Mai war ein Rückschlag. Die Begründung lautete, der Fall berühre Staatsgeheimnisse. „Wir laufen gegen Mauern“, hatte Gnjidic al-Masri sagen müssen. Er habe eine Weile gebraucht, ihn wieder „aufzubauen“.
Auch die mazedonische Regierung hat sich als wenig hilfreich in diesem von Schweigen umgebenen Entführungsfall erwiesen. Eine Anfrage des EU-Botschafters in Mazedonien, Erwan Fouéré, beantwortete der mazedonische Innenminister Ljubomir Mihajlovski am 5. Januar dieses Jahres mit einer knappen Notiz, die der taz vorliegt. Darin räumt der Minister ein, Polizisten hätten al-Masri 2003 bei der Einreise festgehalten, weil sie misstrauisch wegen seines Passes geworden seien. Nach einer Befragung an der Grenzstation und einer Interpol-Abfrage, die nichts ergeben habe, sei al-Masri um 20.57 Uhr die Einreise gewährt worden. Am 23. Januar 2004 soll er das Land dann Richtung Serbien und Montenegro verlassen haben – Ziel unbekannt.
Für Gnjidic gehört diese Stellungnahme zu den vielen Vertuschungsmanövern, mit denen er sich von Anfang an konfrontiert sah. Die neuesten Enthüllungen aus dem Innenleben des BND machten ihm und seinem Mandanten Mut. Ein deutscher Geheimdienstmann hatte gebeichtet, er habe in der Kantine des mazedonischen Innenministeriums am Nebentisch ein Gespräch mitbekommen, in dem darüber geredet worden sei, wie al-Masri den Amerikanern übergeben wurde. Erst sei er „erschrocken über diese Verwicklung“, sagt Gnjidic, doch dann fasste er sich schnell. „Die Geschichte um Khaled al-Masri wird immer glaubhafter“, stellt er fest.
Der Anwalt und sein Mandant setzen weiter auf die Medien und die Staatsanwaltschaft München, die nach Überzeugung Gnjidics ohne Vorbehalte und mit großer Beharrlichkeit ermittle. Wenn genügend Indizien und Beweise auf dem Tisch lägen, werde er mit der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation Aclu einen weiteren Anlauf zu einer Klage in den USA unternehmen. Für den Anwalt und al-Masri gilt: „Wir haben nur die Zivilklage. Wir gehen Schrittchen für Schrittchen weiter.“