GEWALT IST BLÖD. GEGENGEWALT NOCH BLÖDER. REDEN ABER AUCH. DIE ALTERNATIVE: VON KINDERN LERNEN! : Merkel in die Mütze spucken
MAIK SÖHLER
Es ist Winter. Das ist gut. Denn da tragen Menschen – auch die fiesen – eine Kopfbedeckung. Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa, der ewige Wiedergänger Ebenezer Scrooges in Charles Dickens’ „Christmas Carol“. Oder Jogi Löw, diese hämische Strafe der Badenser an der fußballinteressierten Menschheit. Oder die Kollegen, die seit Wochen die gesamte Abteilung mit Wichtel-E-Mails belästigen.
„Verlagsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen halten das ‚Wichteln‘ auf der Weihnachtsfeier für eine feine, kommunikative, gesellige Sache. Redakteure finden es peinlich, zwangswitzig, im Grunde genommen terroristisch“, schrieb ein Exkollege auf Facebook. Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer dass der Begriff des Terrorismus eine Reihe an Fragen nach sich zieht, wie mit ihm umzugehen ist.
Auf Gewalt mit Gegengewalt antworten? Möglich, aber schwierig. Appeasement und noch eine Friedenskonferenz? Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht. Die Ursachen bekämpfen? Klar – welche waren es noch gleich? Terrorismus hat viele Gesichter, und ein Wichtelsäckchen kann heimtückischer als eine Kalaschnikow sein.
Teile der Menschheit haben gelernt, jemanden mit anderer Meinung nicht einfach niederzukartätschen. Viele aber gehen nach Konflikten voller Hass frustriert nach Hause. Das gute Motto „Bloß keine Gewalt“ wird nur halb befolgt, denn Gewalt ist auch das, was man in Frustsituationen sich selbst zufügt. Der Ausweg zwischen Gewalt, die man anderen, und Gewalt, die man sich selbst zufügt, heißt: reden, reden, reden.
Das geht nicht immer. Gibt es keine Alternative? Doch: von Kindern lernen. Der Sohn kam neulich wütend aus der Schule heim. Ein Freund hatte sich mit ihm gestritten und ihn dann gebissen. Empört zeigte er mir die Bissspuren am Arm. „Und, wie hast du reagiert?“ – „Ich wollte ihn hauen. Hab ich aber nicht gemacht.“ – „Sondern?“ – „Ich war so wütend. Und wusste nicht mehr weiter.“ – „Und dann?“ – „Dann hab ich ihm die Mütze vom Kopf gerissen und reingespuckt.“
Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin
Mittwoch Matthias Lohre Konservativ
Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe
Freitag Meike Laaff Nullen und Einsen
Montag Barbara Dribbusch Später
In die Mütze gespuckt. Da streiten Ekel, Erziehungsauftrag und simples Gekicher miteinander. Loslachen geht nicht. Erst mal die Bissspuren verarzten und fragen, ob ein Bewusstsein vorhanden ist, dass die Reaktion falsch gewesen sein könnte. „Ich weiß, dass das falsch war, aber ich war so wütend!“ Beide Kinder hätten dann eine Lehrerin ins Vertrauen gezogen. Beide hätten ihr gesagt, sie wüssten, was sie falsch gemacht hätten. Beide wollten sich nicht entschuldigen. Die Sache sei trotzdem aus der Welt, morgen werde wieder gemeinsam gespielt.
Abends rief die Klassenlehrerin an. „Da ist heute in der Schule was vorgefallen“, eröffnete sie das Gespräch defensiv. „Wir haben schon darüber gesprochen“, erwiderte ich. Die Kinder hätten sich ja wieder vertragen, ob es unserem Sohn damit gut ginge? – „Ja. Ich war nur überrascht, dass er anderen in die Mütze spuckt.“ – „Ich auch.“ Wir schwiegen kurz und lachten lang. Das ist unpädagogisch. Doch Konfliktlösung muss nicht pädagogisch, sondern erfolgreich sein. Gerade bin ich übrigens sehr wütend auf Angela Merkel.