: „Bohrlöcher als größtes Risiko“
Franz May, Experte der Bundesanstalt für Geowissenschaften, will, dass endlich ein Pilotprojekt zur Deponierung des Klimakillers Kohlendioxid gestartet wird
taz: Herr May, der Energiekonzern Vattenfall baut in der Lausitz ein Versuchskraftwerk, bei dem der Klimakiller Kohlendioxid abgeschieden werden soll. Erhebt sich die Frage: wohin damit?
Franz May: Prinzipiell werden zwei Richtungen diskutiert: Kohlendioxid zu Lande deponieren oder zu Wasser.
Wie Beurteilten Sie die beiden Möglichkeiten?
Das Verpressen von CO2 in die Ozeane lehnt die Bundesanstalt für Geowissenschaften entschieden ab – was international weitgehend Konsens ist. Denn in den Meeren ist das Gas nicht sicher eingeschlossen, es gelangt früher oder später wieder in die Biosphäre. Auch eine Lagerung in ehemaligen Bergwerken ist aus unserer Sicht zu riskant. Als vertretbar betrachten wir hingegen die Speicherung in ausgeförderten Öl- und Gasfeldern sowie in tiefen Grundwasserleitern.
Dort ist das Gas dann tatsächlich sicher eingeschlossen?
Natürliche Lagerstätten enthalten CO2 oder Erdgas, das vor Jahrmillionen gebildet wurde. Wir gehen davon aus, dass sich leer geförderte Lagerstätten auch für die Speicherung von Kohlendioxid eignen. Das größte Risiko ergibt sich allerdings durch alte Bohrlöcher, die natürlich überwacht werden müssen.
Und wenn es Erdbeben gibt oder das Gestein sich langsam tektonisch verschiebt?
Die Erdbebensicherheit ist ein ganz wichtiger Punkt. Das Norddeutsche Becken ist tektonisch ruhig, würde sich daher anbieten, der Oberrheingraben hingegen weniger. Aber das sind natürlich nur erste Anhaltspunkte, in der Praxis wird man bei der Standortsuche viel mehr ins Detail gehen müssen.
Gibt es schon eine Art geologischen Leitfaden für die CO 2 -Ablagerung in Deutschland?
Der wird diskutiert, aber es gibt ihn noch nicht. Denn es ist fraglich, ob eine solche Checkliste überhaupt sinnvoll ist, weil es schwer ist, generelle Kriterien festzulegen. Die Geologie ist dafür zu vielfältig – jeder Standort wird immer individuell geologisch untersucht und bewertet werden müssen.
Ein Restrisiko bleibt trotzdem immer. Ist schon klar, wer die Lagerstätten überwachen wird und wer im Falle einer Havarie die Haftung übernimmt?
Die einlagernden Firmen wollen natürlich möglichst schnell aus der bergrechtlichen Verantwortung entlassen werden. Wir hingegen wollen die Standorte möglichst lang und präzise überwacht sehen. Über Zeiträume und Verantwortlichkeiten wird man also noch diskutieren müssen. Was die Haftung betrifft: Wir schlagen eine Risikoabgabe pro Tonne CO2 vor, die von den einlagernden Unternehmen in einen Fonds eingezahlt werden muss. Wie hoch die berechnet werden muss, ist derzeit aber noch nicht seriös zu sagen.
Wie groß stellen Sie sich die Lagerstätten vor?
Das kommt auf die jeweilige Geologie an. Wir sollten jetzt endlich ein Demonstrationsprojekt starten mit 100.000 bis 300.000 Tonnen Lagerkapazität. Denn die Forschung ist an einem Punkt angelangt, wo wir Praxiserfahrungen sammeln müssen. Nur so können wir uns an die Technik herantasten – auch an die Sicherheitstechnik. Man kann nicht alles vorhersagen. Das Auto wurde schließlich auch nicht sofort mit Airbag entwickelt.
Die Energieversorger werben längst mit CO 2 -freien Kohlekraftwerken als Seelenheil der Zukunft. Haben die Konzerne sich über die Lagerung des Abgases eigentlich genug Gedanken gemacht?
Bislang haben die Unternehmen ihr Geld überwiegend in die Technik der CO2-Abscheidung gesteckt. Für die Lagerstättenforschung hatten sie bisher nicht so viel übrig. Da muss auch aus der Energiewirtschaft noch mehr Engagement kommen.
INTERVIEW: BERNWARD JANZING