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Archiv-Artikel

Zehnjahresplan zur Rettung des Planeten

BUCH In „Corporation 2020“ entwirft Pavan Sukhdev, Exinvestmentbanker der Deutschen Bank, ein neues Leitbild für Unternehmen

Pavan Sukhdev ist ein Dissident in den Chefetagen der Global Players

Pavan Sukhdev war jahrelang Investmentbanker der Deutschen Bank und wurde vom Saulus zum Paulus. Dass so was heute in den Chefetagen passiert, ist ein Hoffnungszeichen.

„Corporation 2020“ hat der indischstämmige Autor sein ursprünglich auf Englisch geschriebenes Buch genannt, auf dem Erdgipfel von Rio 2012 stellte er seine gleichnamige globale Kampagne vor. Sein historischer Ausgangspunkt ist die „Corporation 1920“, die durch Urteil eines hohen US-Gerichts von 1919 kodifiziert wurde. „Ein Unternehmen wird in erster Linie zu Gewinnzwecken für die Aktionäre gegründet“, hieß es darin. Damit wurden etwaige Gemeinwohlbestrebungen gesetzlich unmöglich gemacht. Internationale Konzerne und auch deutsche Aktiengesellschaften sind verpflichtet, ihre Profite zu vergrößern, egal welchen Schaden sie damit Gesellschaft und Natur zufügen. Ungefähr die Hälfte ihrer Profite, rechnet Sukhdev vor, entsteht durch ausgelagerte Kosten.

Diese pervertierte Entwicklung will der international bekannte Dozent der Yale University mit seinem Leitbild einer zukunftsfähigen gemeinwohlorientierten „Corporation 2020“ rückgängig machen. Durch neue Gesetze und internationale Ordnungspolitik sollten externalisierte Kosten transparent gemacht und letztlich internalisiert werden, wie es etwa der Puma-Konzern in seiner Umweltbilanz vormacht. Der Ressourcenverbrauch sollte besteuert, milliardenschwere Subventionen fossiler Energie sollten gestoppt, Werbung und PR stark reglementiert werden. Die Aufnahme von Fremdkapital sollte beschränkt werden, damit nicht wieder Banken und Unternehmen – weil „to big to fail“ – auf Kosten der Steuerzahlenden gerettet werden müssen, so Sukhdev.

Schade ist, dass Pavan Sukhdev nicht erzählt, was sein persönliche Wandlung zum Paulus ausgelöst hat. Er referiert vergleichsweise trocken, mit vielen Tabellen und Statistiken, hundert Jahre Rechtsgeschichte von Unternehmen sowie die irrsinnigen ökologischen und sozialen Kosten, die sie auf Weltklima und Erdbevölkerung abwälzen. Als Koordinator der Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity“ versteht er sich dabei bestens darauf, den ökonomischen Wert von „Naturkapital“ zu berechnen – oder Natur erneut zu kapitalisieren, wie manche kritisieren.

Ob seine „grüne Ökonomie“ ausreicht, die nötige Transformation zustande zu bringen, darf bezweifelt werden. Der Green-Economy-Initiative der UN-Umweltorganisation Unep, die Sukhdev leitete, attestierten zivilgesellschaftliche Gruppen, sie sei zu technikgläubig, zu wenig menschen- und frauenorientiert und schalte Wachstumstreiber nicht konsequent aus. Zudem fehlt es im Buch an Ideen, auf welchem politischen Weg die Übermacht von Finanzkapital und Energiekonzernen gebrochen und global wirkende Reglementierungen verabschiedet werden können. Auf einer Veranstaltung der Heinrich Böll Stiftung in Berlin äußerte der Autor, am liebsten würde er die weltweit wichtigsten Unternehmen nach Sparten getrennt mit den weltweit wichtigsten Politikern in eine Kammer sperren, damit sie Zehnjahrespläne zur Rettung des Planeten entwürfen.

Wenn jetzt jemand lächelt: Es stimmt hoffnungsvoll, dass die übelste Sparte des Finanzkapitals auch solche Autoren mit solchen Gedanken produziert. Sukhdev ist ein Dissident, dem man in den Chefetagen der Global Players nur den größtmöglichen Erfolg wünschen kann.

UTE SCHEUB

■ Pavan Sukhdev: „Corporation 2020. Warum wir Wirtschaft neu denken müssen“. oekom Verlag, München, 289 Seiten, 19,95 Euro