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Archiv-Artikel

Gut gemeint, schlecht gedacht

Die „Islamkonferenz“ ist das falsche Mittel, um islamischen Religionsunterricht bundesweit einzuführen. Man sollte lieber die kommunalen Modellversuche ausweiten

Die geplante Islamkonferenz ist nicht repräsentativ und hat kein ausreichendes Mandat

Die Idee von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist gut. Er will den Dialog zwischen Mehrheitsgesellschaft und muslimischer Minderheit verbessern. Um das zu erreichen, schlägt er eine „Islamkonferenz“ vor, der einerseits Vertreter von fünf muslimischen Organisationen, Künstler und Unternehmer angehören sollen, andererseits Vertreter des Staates aus Bund, Länder und Kommunen. Ganz oben auf der Agenda des Gremiums steht das Dauerthema islamischer Religionsunterricht, das Schäuble unter seiner Federführung intensiv besprechen will. Ziel ist eine tragfähige Übereinkunft, die in naher Zukunft flächendeckend in einen islamischen Religionsunterricht mündet.

Nur: Gegen diese Idee spricht einiges. So ist in der Bundesrepublik die Schulpolitik Sache der Länder. Diesen Sachverhalt hat der saarländische Kultusminister Schreier als Reaktion auf die Schäuble-Initiative unmissverständlich klargestellt.

Zudem stellt sich die Frage: Welche Organisationen sind überhaupt als Repräsentanten der Muslime geeignet? Unter den fünf Auserwählten sind immerhin Organisationen, denen die Kultusminister der Länder bislang unisono die Anerkennung verweigern. Es kommt hinzu, dass die verschiedenen religiösen Gruppierungen bei den Muslimen sich nicht auf ein Konzept für alle verständigen können.

Beginnen wir mit der Frage der Repräsentanz. Da ist der Islamrat, der in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Zentralrat der Muslime seit Jahren gerichtlich um die Anerkennung als Ansprechpartner des Staates für einen islamischen Religionsunterricht kämpft. Der Dachverband wird von der „Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ dominiert, die trotz einiger Reformanstrengungen einen zwiespältigen Eindruck macht. Neben den dialogbereiten Reformern gibt es auch die alte Gefolgschaft des umtriebigen Islamistenführers Necmettin Erbakan, die islamistischen Zielvorstellungen anhängt.

Andere Probleme stellen sich beim „Zentralrat der Muslime“. Seit dem Austritt des „Verbands islamischer Kulturzentren“ im Jahr 2000, der mit mehr als 20.000 Mitgliedern die mit Abstand größte Mitgliedsorganisation darstellte, hat sich die Zahl der Mitgliedsgemeinden halbiert. Realistische Schätzungen gehen davon aus, dass der Zentralrat höchstens noch 10 Prozent der organisierten Muslime vertritt. Für eine Organisation, die als Zentralrat für alle Muslime fungieren möchte, ist dies zu wenig. Als problematisch gilt die Nähe einzelner Mitgliedsorganisationen zur international verzweigten Muslimbrüderschaft.

Mit von der Partie, wenn auch bislang noch nicht ausdrücklich erwähnt, ist wohl die türkische DITIB (Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion). Sie vereint etwa 800 Moscheegemeinden unter ihrem Dach. In den letzten beiden Jahren war der Verband stets zur Stelle, wenn es um den Islamunterricht ging. Hierbei priesen die DITIB- Vertreter ihren Verband ungeniert als den größten unabhängigen Moscheenverband in Deutschland. Zwar ist die DITIB der größte Verband, aber er ist alles andere als unabhängig. Vielmehr vertritt der Verband unmittelbar die Interessen des türkischen Staates.

Die Fakten belegen dies eindeutig: Den Vorsitz im Verband führt ein Botschaftsrat. Und die türkische Botschaft und die nachgeordneten Konsulate beaufsichtigen die knapp 700 Imame der DITIB-Moscheen. Nach Lage der Dinge kann DITIB schwerlich als Religionsgemeinschaft in unserem Rechtsverständnis angesehen werden. Türkische Konsulatsbeamte können für die Kultusministerien der Länder daher keine geeigneten Kooperationspartner in Sachen islamischer Religionsunterricht sein. Dagegen spricht außerdem das Gebot staatlicher Neutralität, das bezüglich religiöser Angelegenheiten in der Verfassung gefordert wird.

Schließlich wäre da noch die alevitische Gemeinde, die an der Islamkonferenz beteiligt werden soll. Bezüglich eines einheitlichen islamischen Religionsunterrichtes wird man von den Aleviten keine große Unterstützung erwarten dürfen. Auf Länderebene wurde bereits mehrfach versucht, eine innerislamische Einigung herbeizuführen. Zuletzt scheiterten die Verhandlungen am „runden Tisch“ in Niedersachsen. Seitdem läuft der Schulversuch „Islamischer Religionsunterricht“ ohne Beteiligung der Aleviten.

Die Unterschiede zwischen Aleviten und orthodoxen Sunniten sind in vielen Fragen so gravierend, dass eine Einigung wohl kaum zu erwarten ist. Die Aleviten haben längst die Konsequenzen gezogen und beantragten in fünf Flächenstaaten einen alevitischen Religionsunterricht. Im letzten Jahr wurden die Anträge bewilligt. In Nordrhein-Westfalen wird bereits an einem Lehrplan für die Primarstufe gearbeitet. Damit ist klar, dass es einen islamischen Religionsunterricht als Einheitsunterricht mit Sicherheit nicht geben wird. Zu verhandeln wäre in der Islamkonferenz demnach allenfalls noch ein sunnitisch-schiitischer Islamunterricht.

Hier nun stellt sich die Frage, ob die dort versammelten muslimischen Organisationen tragfähige Lösungen für einen möglichst breit akzeptiertes Unterrichtsangebot erarbeiten können. In der bislang bekannten Zusammensetzung dürfte sich dies wohl als schwierig erweisen. Zumal der organisierte Islam nach diversen Schätzungen lediglich zwischen 10 und 15 Prozent der etwa 3,2 Millionen deutschen Muslime vertritt. Die überwältigende Mehrheit ist also in keinem Vereinen organisiert und hätte somit in Schäubles Islamkonferenz keine Stimme. Abhilfe schaffen hier auch nicht ein paar muslimische Künstler und Unternehmerpersönlichkeiten. Anders formuliert: die geplante Islamkonferenz ist, was die muslimische Seite betrifft, nicht repräsentativ und hat kein ausreichendes Mandat.

Den Fachministerien in den Bundesländern ist die Repräsentationsproblematik seit vielen Jahren bekannt. Die organisatorischen Strukturen des Islams sind noch relativ jung und wenig gefestigt, dies zeigen diverse Umbenennungen, Neugründungen und Austritte. Nicht zuletzt deswegen hat man es bislang vermieden, die bestehenden muslimischen Organisationen als Ansprechpartner des Staates anzuerkennen. Überdies gab es die Forderung nach demokratisch legitimierten Strukturen.

Zwischen Aleviten und orthodoxen Sunniten ist wohl kaum eine Einigung zu erwarten

Da all dies Zeit braucht, brachte man in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Islamunterricht als Modellversuche auf den Weg, die auf kommunaler Ebene die Zusammenarbeit von Staat und Moscheegemeinden erproben.

Die Erfahrungen in den unterschiedlich konzipierten Versuchen sind durchweg gut und der Zuspruch der muslimischen Eltern ist sehr hoch. Die Landesregierungen sind gut beraten, wenn sie diesen pragmatischen und kleinschrittigen Weg weitergehen, statt auf eine landesweite Islamkonferenz zu setzen, deren Konzept den hinlänglich bekannten Problemen nicht einmal im Ansatz gerecht wird.

MICHAEL KIEFER