Für den Triumph ist es zu früh

Er war zwar zur Nummer eins aufgestiegen, doch der Tod Sarkawis löst nicht das Problem des Terrors. Jenseits der alten Afghanistan-Garde ist eine neue Generation von Aufständischen herangewachsen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Es war unverhohlener Triumph: „Heute haben wir es geschafft, Sarkawi ein Ende zu bereiten“, erklärte der irakische Premier Nuri al-Maliki und löste dabei in den Reihen der eilig zusammengerufenen Pressekonferenz in Bagdad Applaus aus. Die Nachricht vom Tod des meistgesuchten Al-Qaida-Führers Abu Mussab al-Sarkawi stellt für die mit der Sicherheitslage im Land ringenden Regierung in Bagdad eine große Erleichterung dar.

Der 39-Jährige war in der Nacht zum Donnerstag mit sieben Gefährten bei einem amerikanischen Bombenangriff nördlich der irakischen Stadt Bakuba ums Leben gekommen. Laut dem Chef der US-Truppen im Irak, General George Casey, soll Sarkawi anhand seines Aussehens, seiner Fingerabdrücke und seiner Narben eindeutig identifiziert worden sein. Sarkawis Gruppe bestätigte den Tod und kündigte in einer im Internet verbreiteten Erklärung an, sie werde den „heiligen Krieg“ fortsetzen. „Der Tod unserer Führer ist Leben für uns. Er wird nur unsere Ausdauer bei der Fortsetzung des heiligen Krieges stärken“, heißt es dort weiter.

Sarkawi war für die US-Truppen und die irakische Regierung zum Feind Nummer eins aufgestiegen. Auf seinen Kopf waren 25 Millionen Dollar ausgesetzt. Maliki deutete an, dass Sarkawis Aufenthaltsort verraten worden war. Er beschrieb den Luftangriff als ein Ergebnis von Informationen von Einwohnern der Umgebung. Später wurde er im arabischen Sender al-Arabija noch deutlicher, als er erklärte, dass man das Versprechen des Kopfgeldes halten werde.

Der Tod Sarkawis war nicht der einzige Erfolg der neuen irakischen Regierung. Nach langen Rivalitäten stimmte das Parlament gestern der Ernennung des schiitischen Innenministers Dschauad al-Bolani und des sunnitischen Verteidigungsministers Abdel Kader Dschassim mit großer Mehrheit zu.

Wie sehr sind die Aufständischen im Irak durch Sarkawis Tod tatsächlich geschwächt worden? „Al-Qaida im Irak sollte weder zu einem Giganten aufgeblasen noch als ein Phantom abgetan werden, sondern einfach als eine unter mehreren im Irak operierenden Gruppierungen gesehen werden“, heißt es in einem Bericht des Politikberatungsinstitutes „International Crisis Group“ (IGC) über die Struktur und die Taktik der irakischen Aufständischen. Die Aufständischen, die meist sunnitische Araber sind, stellen ein Sammelsurium aus ehemaligen Armeeoffizieren mit „patriotischen Motiven“, Baathisten, die von alten Zeiten träumen, Hardliner-Islamisten und ausländischen Kämpfern dar. Zwar arbeiten die Gruppen manchmal auf lokaler Ebene zusammen, auf ein politisches Programm können oder wollen sie sich aber nicht einigen.

Sarkawis Methoden, vor allem die Enthauptungen und dessen offene Feindschaft gegen die Schiiten, stießen immer wieder bei den anderen Gruppierungen auf Kritik. Al-Qaida hatte auch das Imageproblem, sich zu sehr auf ausländische Kämpfer zu stützen, wenngleich deren Operationen ohne die logistische Hilfe Einheimischer nicht möglich sind. Interessant ist die Tendenz in den letzten Monaten, die irakische Komponente al-Qaidas zu stärken. Der Iraker Abu Maisara wurde zum Sprecher auserkoren und letztes Jahr soll auch ein Iraker die militärische Führung der Organisation übernommen haben. Beides gilt als Versuch, unter den Irakern mehr Glaubwürdigkeit zu erhalten und der Kritik entgegenzuwirken, dass die irakischen bewaffneten Aufständischen von einem Jordanier angeführt würden. Das wirft die Frage auf, ob der Tod Sarkawis für die Aufständischen nicht sogar mit einer Imageverbesserung einhergehen könnte.

Sarkawi war der meistgesuchte Mann im Irak, über den am meisten berichtet wurde, doch beileibe nicht die einzige Prominenz unter den Aufständischen. Im Januar dieses Jahres trat al-Qaida im Irak dem lose organisierten „Rat des irakischen Widerstands“ bei, der ebenfalls von einem Iraker namens Scheich Abdallah al-Bagdadi angeführt wird. Er und nicht Sarkawi war Ende 2004 nach der Belagerung von Falludscha als Held gefeiert worden.

Wer immer die Aufständischen anführt, der IGC-Bericht zweifelt an der Strategie, sie „enthaupten“ zu können. „Zwar spielen Einzelne eine wichtige Rolle, aber diejenigen, die getötet oder gefangen wurden, wurden immer wieder ersetzt, ohne dass sich das bisher auf die Leistungsfähigkeit der Aufständischen ausgewirkt hätte“, heißt es dort. Der Aufstieg einer neuen Generation, jenseits der alten Afghanistan-Garde, könnte die Situation sogar noch unberechenbarer machen.