PARK FICTION : Turnvater Özgül
Meine frühmorgendliche Joggingrunde im Görlitzer Park führt vorbei an blühenden Bäumen, monströsen Abfallhaufen, auf denen leichenfleddernd die Aasgeier des Abendlandes, vulgo: Krähen herumklettern, sowie diversen, streng nach Herkunftsort sortierten Männerbünden, die sich auf der Suche nach dem frühen Vogel wahlweise Bier in den Rachen schütten oder rhythmisch vor sich hin groovend nach dem nächsten Kunden Ausschau halten.
Schon von Ferne erblicke ich den grauhaarigen, orientalisch anmutenden Herrn, der mit flehender Geste die Arme gen Himmel reckt. Zunächst vermute ich, er bitte Allah um einen müllfreien Park und wünsche ihm gute Connections, doch als ich kurz darauf seine Gattin sehe, die sich mit beiden Händen am Brückengeländer festklammert und unter schwerem Ächzen und Seufzen Rumpfbeugen macht, wobei brandneue Nike-Air-Sneakers unter ihrem bodenlangen Mantel hervorlugen, verstehe ich: Hier hat Turnvater Özgül seine Finger im Spiel.
Erfreut, dass nicht nur ich um diese Uhrzeit bei der Leibesertüchtigung schwitze, blicke ich zurück, um das Schauspiel noch ein wenig zu genießen. Just da walkt mir mit luftgepolstertem Schritt und einhellig grimmiger Miene ein Quartett junger, ebenfalls bodenlang verhüllter Damen entgegen. Sie marschieren zu viert nebeneinander, ein Phänomen, das ich sonst eher von Militärparaden kenne. Der Anblick dieser sich nähernden Breitwand schüchtert mich dermaßen ein, dass ich ausweiche und kopfüber ins Unterholz hechte, während die Gruppe ihren gesundheitsfördernden Marsch unbeirrt fortsetzt und am Horizont verschwindet.
Beschämt stolpere ich auf die Piste zurück und zupfe mir ein paar Zweige und Grillwurstreste aus dem Haar. An mir vorbei joggt federnd das ältere Ehepaar. Ich schließe mich ihnen an.
ULLA ZIEMANN