: „Wir Opfer werden vieles aushalten müssen“
Spaniens linke Regierung und die konservative Opposition streiten um die richtige Politik gegenüber der baskischen Terrororganisation ETA. Die Spaltung der Demokraten nutzt dem Terrorismus, sagt ETA-Opfer Gorka Landaburu
taz: Heute wollen ETA-Opfer gegen Verhandlungen der Regierung mit den baskischen Separatisten demonstrieren. Sie fordern, dass ETA vor einem Dialog die Waffen abgibt und sich auflöst. Sie sind auch ein ETA-Opfer, werden aber nicht an der Demo teilnehmen. Warum?
Gorka Landaburu: Ich gehöre zu denen, die seit mehr als 20 Jahren gegen den ETA-Terrorismus protestieren. Doch ich sehe keinen Sinn darin, gegen eine Regierung auf die Straße zu gehen, die Dialog und Frieden sucht. Ich habe jede Regierung unterstützt, die versuchte, ein Ende von ETA zu erreichen. Das war so, als die erste demokratische Regierung unter Suarez verhandelte, als der Sozialist González 1989 Gespräche führen ließ und auch als sich die konservative Regierung Aznar 1998 mit ETA zusammensetzte. Heute ist es Zapatero, der eine Lösung finden muss. Wir Opfer dürfen uns da nicht einmischen. Die Opfer müssen die Probleme der Opfer lösen und die Politiker die politischen.
Die sozialistische Regierung und die größte Oppositionspartei, die konservative PP, sind wegen des Friedensprozesses so zerstritten wie noch nie. Die PP wirft der Regierung vor, bereits im Vorfeld zu viele Zugeständnisse zu machen. Stimmt das?
Ich kann das nicht verstehen. Bisher waren sich Regierung und Opposition bei allen Dialogversuchen einig. Nur dieses Mal nicht. Und das, obwohl alles darauf hindeutet, dass wir dem Frieden näher sind denn je. In der Politik könne wir uns über alles streiten, aber nicht über Staatsthemen wie Terrorismus und Frieden. Ich kann nur hoffen, dass die beiden großen Parteien wieder aufeinander zu gehen. Die Spaltung der Demokraten nutzt nur dem Terrorismus.
Ist diese Spaltung nicht schon längst geschehen?
Ja. Viele Opfervereinigungen werden von politischen Interessen manipuliert. Die Opfer sind eine sehr bunter Haufen. Jeder hat seine eigenen Ansichten. Aber wir müssen alle gemeinsam für den Frieden arbeiten.
Geht die Regierung nicht zu schnell auf ETA und Umfeld zu?
Es ist notwendig, Schritte zu tun. Und genau das hat die Regierung getan. Das Ergebnis spricht für sich: ETA hat die wichtigste Entscheidung in ihrer Geschichte getroffen und einen permanenten Waffenstillstand erklärt.
Einer der Streitpunkte ist die Ankündigung Zapateros, seine Partei werde sich demnächst mit dem verbotenen politischen Arm der ETA, mit Batasuna, zusammensetzen. PP und manche Opfer werfen der Regierung vor, den Terroristen näher zu stehen als der demokratischen Opposition. Ist da was dran?
Mit wem soll die Regierung denn verhandeln, wenn nicht mit ETA und Batasuna? Mit wem sprach Tony Blair in Nordirland? Mit Gerry Adams, einst ein Terrorist und heute ein Politiker. In Südafrika passierte das Gleiche, und früher oder später werden wir das auch in Palästina und Israel erleben. Es ist nötig, sich mit den Terroristen an einen Tisch zu setzen, ob es uns gefällt oder nicht. Mir persönlich gefällt es nicht. Aber es ist der einzige Weg, um den Terrorismus zu beenden. Und bei aller Aufregung: Noch hat sich die Regierung nicht mit ETA getroffen, sondern dies nur angekündigt. Als Aznar mit Batasuna redete, kritisierte das niemand. Warum kritisiert die PP dann die jetzige Regierung?
Die Demonstranten fürchten, die Regierung könnte einen politischen Preis an ETA zahlen. Wie sehen Sie das?
Ich bin mir im Klaren darüber, dass Batasuna wieder zugelassen werden wird. Ich glaube auch, dass die Gefangenen zuerst in Haftanstalten im Baskenland verlegt werden, um dann ihre Entlassung großzügig abzuwägen. Diese demokratische Großzügigkeit ist allerdings der einzige Preis, der akzeptabel ist.
Wie ist die Stimmung im Baskenland?
Die Menschen hier sind voller Hoffnung. Genau deshalb können wir nicht zulassen, dass der Friedensprozess verunmöglicht wird. Die Regierung ist verpflichtet, alles zu tun, um den Frieden zu erreichen. Und die Opposition muss sie dabei unterstützen. Als Opfer des Terrorismus und als baskischer Bürger kann ich nur sagen: Ich wäre sehr, sehr traurig, wenn dieser Friedensprozess an der Spaltung des demokratischen Lagers scheitern würde.
Falls der Prozess erfolgreich ist, werden die Täter als freie Menschen in die Gesellschaft zurückkehren. Wie geht es Ihnen bei diesem Gedanken?
Wir werden während des Friedensprozess so manches Mal die Augen schließen und vieles aushalten müssen. Doch ich fühle keinen Hass, auch wenn ich nicht vergessen oder gar vergeben kann. Wichtiger als die Tatsache, dass die Täter zurückkehren, ist der Friede. Wir haben lange Jahre gegen eine Diktatur gekämpft, die Franco hieß, und danach gegen eine andere Diktatur mit dem Namen ETA. Ich will den Frieden für mich, für meine Kinder und für meine Enkel.
INTERVIEW: REINER WANDLER