: Russland will Schulden schnell tilgen
Die Öleinnahmen Russlands schaffen Probleme: Moskau will Kredite vorzeitig zurückzahlen. Damit hat der Westen nicht gerechnet. Weiteres G-8-Ergebnis: Reiche Industriestaaten konnten sich nicht auf Impfprogramm für ärmste Länder einigen
BERLIN taz/dpa/rtr ■ Deutschland darf demnächst Geld erwarten, doch so richtig froh ist SPD-Finanzminister Peer Steinbrück gar nicht. Mit seinem russischen Amtskollegen Andrei Kudrin vereinbarte er am Wochenende, dass Russland vorzeitig Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zurückzahlt – zum Nominalwert. Russland muss also keinen Ausgleich dafür zahlen, dass es in den nächsten Jahren Kreditzinsen spart. Dennoch nannte Steinbrück diese Einigung „für uns unschädlich“.
Insgesamt schuldet Russland Deutschland 7,7 Milliarden Euro. Auch die restlichen 6,4 Milliarden sollen getilgt werden – durch die hohen Öl- und Gaspreise verfügt Energieexporteur Russland über ausreichende Geldreserven. Allerdings verlangt Steinbrück bei den Restschulden, dass die Zinsausfälle kompensiert werden. Das Bundesfinanzministerium dürfte den marktüblichen Aufschlag verlangen, der etwa 12 Prozent auf den Nominalwert beträgt. Viel Verhandlungsspielraum hat Steinbrück nicht: Die Kredite an Russland dienten als Sicherheiten für Anleihen, die der Bund an Investoren verkauft hat. Dort fallen ebenfalls Zinsen an.
Bis Mittwoch wollen sich die beiden Finanzminister geeinigt haben: Dann findet die Jubiläumssitzung des „Pariser Clubs“ statt, der 50 Jahre alt wird. In ihm sind die 19 wichtigsten Geberländer zusammengeschlossen. Auch mit anderen Ländern verhandelt Russland momentan, dessen Auslandsschulden sich auf 22 Milliarden Euro belaufen. Davon sollen mindestens 12 Milliarden jetzt getilgt werden.
Steinbrück und sein russischer Kollege trafen sich bei einem Gipfel der G-8-Finanzminister in St. Petersburg. Zu den G-8-Staaten zählen außerdem die USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien und Italien.
Weiteres Thema des Wochenendtreffens: ein Impfprogramm für die ärmsten Länder der Welt. Zwei Millionen Menschen sterben jährlich an Tuberkulose, 1,5 Millionen an Malaria. Dennoch forscht die Pharmaindustrie nicht nach Impfstoffen, weil die betroffenen Regionen zu arm sind, als dass die Firmen damit rechnen könnten, ihre Entwicklungskosten zurückzuerhalten. Eine staatliche Absatzgarantie könnte dieses Problem lösen.
Doch diesmal kam es zu keiner Einigung. Steinbrück erklärte auf dem G-8-Gipfel, Deutschland werde sich schon aus „finanziellen Gründen“ nicht beteiligen. Es fehlten schlicht die Haushaltsmittel. So würde ein Pneumokokken-Projekt gegen Lungenentzündung rund 1,5 Milliarden Euro kosten, ein Impfstoff gegen Malaria 2,3 und gegen Tuberkulose 0,8 Milliarden Euro. Deutschland müsste sich mit etwa 15 Prozent beteiligen.
Zudem gibt es inhaltlichen Streit. So ist ungeklärt, welche Krankheit bekämpft werden soll. Deutschland will vor allem Impfstoffe gegen Tuberkulose fördern, denn bei Malaria und Lungenentzündung sei die Forschung längst so weit, dass keine Staatshilfen mehr nötig seien.
Drittes Thema der G-8-Finanzminister: die Energiemärkte. Konkret kam nur heraus, dass es eine Initiative für mehr Transparenz an den Ölmärkten namens JODI geben soll (Joint Oil Data Initiative). Mit genaueren Daten über Produktion, Verbrauch und Lagerbestände soll die Ölspekulation eingedämmt werden.
Am Rande der G-8-Tagung sagte Steinbrück zu, dass Deutschland bereit wäre, beim Internationalen Währungsfonds auf 0,1 bis 0,2 Prozent seiner Stimmen zu verzichten – wenn andere Staaten mitziehen. So sollen unterrepräsentierte Schwellenländer wie China, Südkorea, Mexiko oder die Türkei mehr Einfluss gewinnen. Deutschland hat einen Stimmanteil von 6 Prozent. ULRIKE HERRMANN