: Homosexuellen-Parade eint die Opposition
Die Gegner der regierenden Kaczyński-Brüder sehen in der Demonstration einen Lichtblick für das tolerante Polen
WARSCHAU taz ■ Zu einer Homosexuellen-Demo passt das nicht, wenn Piotr Gadzinowski hoch zufrieden sagt: „Diese Demonstration war für meine Kinder. Dass sie in einem friedlichen Land leben können. Ich bin glücklich. Die Menschen guckten zufrieden am Straßenrand auf die Parade, alles war so positiv. Der Hass von einigen sah abschreckend aus.“ Gadzinowski ist Familienvater. Er hat zwei Töchter.
Und er hat Gründe, das gesellschaftliche Leben Polens in größere Zusammenhänge zu stellen. Er war noch Kommunist, als Solidarność geboren wurde – und sitzt nun für das linke SLD (Bündnis der demokratischen Linken) im Sejm, dem Parlament. „Diese Demonstration wird Polen verändern. Alle Demokraten, links oder liberal, waren vorher am Boden zerstört. Überall die Rechten, bis zum Staatspräsidenten. Jetzt wissen wir, dass wir eine Chance haben.“ Es sei lustig, dass die Opposition sich ausgerechnet an einer Parade von Lesben und Schwulen aufrichtet. „Aber das haben die Konservativen sich selbst zuzuschreiben.“ Sie würden ersticken an ihren Lügen, Halbwahrheiten und Aggressionen.
Kleine Siege gab es schon vorher: Das schwul-lesbische Filmfestival hatte nach einem Anruf aus dem Amt von Staatspräsident Lech Kaczyński plötzlich kein Kino mehr – eine christliche Pfadfindergruppe benötige das Gebäude des Lichtspielhauses. Die Parade-Organisatoren verwiesen auf Verträge und ließen über die Medien listig mitteilen, man freue sich, gemeinsam mit den Pfadfindern eine Location zu nutzen. Woraufhin, das war erhofft, diese ihre Anmietung zurückzogen – und das Filmfest gerettet war.
Ob die Parade auf die Regierung wirkt, muss offen bleiben. Auf der Tagung gegen Homophobie am Freitag kritisierte eine Unterministerin die Äußerungen des rechtsradikalen Bildungsministers Giertych, der die Paradeteilnehmer verdreschen und ausländische Gäste außer Landes jagen wollte.
Man wird mehr auf das Ausland hören müssen – ob Warschau will oder nicht. Brüssel und Berlin teilten ihr Entsetzen über die polnische Entwicklung mit. Sie werden weiterhin das Land beobachten. Europa war ohnehin mit Dutzenden von Parlamentariern auf dem Toleranzmarsch präsent. Gadzinowski, im Nebenberuf Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Nie („Nein“), erkannte vor allem dies als Potenzial für die Zukunft: „In der Parade war der künftige Block polnischen Fortschritts zu sehen.“
JAN FEDDERSEN