: Unsere Kerle am Kap
DEUTSCHES WM-TEAM So jung ist seit 1934 keine deutscher Kader mehr gewesen. Bundestrainer Joachim Löw hat mit der Benennung seines 23-köpfigen Aufgebots eine neue Ära eingeläutet. Viele Migrantenkinder, Stürmer mit Ladehemmung und ein offensiver Torwart stehen in der Eliteauswahl
Torhüter
Nr. 1 Manuel Neuer, 24 Jahre, fünf Länderspiele, kein Tor, aber ein paar Gegentore: Aufgrund der Verletzung von René Adler die Nummer eins im Tor. Reaktionsschneller Keeper, der die Rolle des letzten Mannes beim FC Schalke 04 sehr offensiv interpretiert. Im Grunde nimmt Neuer die Position des Ballfängers und des Liberos ein. Das ist immer dann zu sehen, wenn er wie von der Tarantel gestochen seinen Strafraum verlässt und es auf ein Laufduell mit dem heranpreschenden Stürmer um den Ball ankommen lässt. So will es der Bundestrainer sehen. Ist in dieser Beziehung um einiges besser als das deutsche Torwart-Idol Oliver Kahn. MV
Nr. 12 Tim Wiese, 28 Jahre, 2 Länderspiele, kein Tor: Er ist der große Unzufriedene im Team. Dass er nicht Deutschlands Nummer eins wird, war ihm früh klar, „als ich den DFB-Koffer mit der Nummer 12 bekommen habe“. Das war gleich zu Beginn der WM-Vorbereitung. Dass er auf der Linie zu den Allerbesten gehört, zeigt seine Elfmeterbilanz. Er hat 10 der letzten 14 Elfmeter gehalten. Eine titanische Leistung. Die Strafraumbeherrschung gehört nicht zu seinen Stärken. Mucken will er keine machen im WM-Team, hat er versprochen. Sein Verhältnis zu Manuel Neuer sei dafür viel zu gut. ARUE
Nr. 22 Jörg Butt, 36 Jahre alt, drei Länderspiele, kein Tor: Lampenfieber wird der Torwart des Champions-League-Finalisten FC Bayern München wohl kaum in Südafrika bekommen, denn er ist nur die Nummer drei hinter Manuel Neuer und Tim Wiese. Er wird eine geruhsame Zeit auf der Bank verbringen und im Training seiner Leidenschaft, dem Elfmeterschießen, nachgehen. Im normalen Spielbetrieb hat Butt schon 26-mal vom Elfmeterpunkt getroffen. Doch wie schon 2002 bei Butts erster WM-Teilnahme darf er nur Mut machen und die Daumen drücken für seine Kollegen, die es in die Startelf geschafft haben. MV
Verteidiger
Nr. 2 Marcell Jansen, 24 Jahre, 31 Länderspiele, 2 Tore: Der linke Linienzonenbekämpfer und Flankenlaufspezialist vom Hamburger SV hat laut Statistik mehr Länderspiele, als viele gedacht hätten. Dazu erstaunlicherweise die beste Siegquote (71 Prozent) aller Südafrika-Fahrer mit mehr als zehn Einsätzen. Jansens technische Fähigkeiten sind limitiert, sein Wille ist es nicht. Auch nicht der Wille zur schnellen Gesundung nach Riss des Syndesmosebandes, das nach zwei Monaten erst in letzter Minute saniert werden konnte. Jansen trägt ein seltsam riesiges Texttattoo in DIN-A4-Größe über der rechten Hüfte („Ego vs Heart“). „Es geht um Erfahrungen und Ansichten, um das Zusammenspiel von Kopf und Herz“, sagt Jansen, „das Herz sollte den Verstand steuern – und nicht andersherum, ich habe viele Bücher gelesen und das Wissen daraus mit meinen Vorstellungen für das Leben kombiniert.“ MÜLL
Nr. 3 Arne Friedrich, 31 Jahre, 73 Länderspiele, kein Tor: Der Kapitän der Absteiger von Hertha BSC ist eine der Konstanten in deutschen Turnierteams. Er spielt seit der Europameisterschaft 2004 fast immer, obwohl noch kurz vor den jeweiligen Turnieren keiner so recht mit ihm rechnet. Friedrich ist sicher nicht der beste Fußballer im Team. Der Bundestrainer schätzt ihn wegen seiner „Verlässlichkeit“. Die soll er wohl diesmal in der Innenverteidigung unter Beweis stellen. Wird er rechts außen gebraucht, kann er auch da spielen. Nicht überragend, aber solide. Er ist einer, der mithalten kann. Kochen kann er angeblich auch. Mit TV-Koch Ralf Zacherl hat er das Buch „Foodball“ geschrieben. ARUE
Nr. 4 Dennis Aogo, 23 Jahre, 2 Länderespiele, kein Tor: Die Überraschung im Kader. Der Verteidiger des Hamburger SV mit nigerianischem Vater und deutscher Mutter feierte ein starkes Debüt im Mai gegen Malta und hat seitdem sogar Einsatzchancen links defensiv oder als Back-up im defensiven Mittelfeld. Aogo ist einer sieben U-21-Europameister 2009 im deutschen WM-Team. MÜLL
Nr. 5 Serdar Tasci, 23 Jahre, 12 Länderspiele, kein Tor: Der Stuttgarter galt lange als die Hoffnung in der Innenverteidigung. Endlich, schwärmte so mancher, gibt es in der Innenverteidigung, der letzten Bastion der fußballerisch Unbegabten, einen, der auch das intelligente Spiel nach vorne beherrscht. Dass er darüber bisweilen die Defensivarbeit unterschätzt, hat ihn schon manches Mal zum Risikofaktor werden lassen. Schlechte Noten hagelte es dann in den Gazetten. Ungerecht findet Tasci das. Er hat sich des Öfteren gefragt: „Kann das sein? War ich wirklich so schlecht?“ Tasci spielt auch um seinen Ruf. ARUE
Nr. 14 Holger Badstuber, 21 Jahre alt, 1 Länderspiel, kein Tor: Hat eine atemraubende Saison für den FC Bayern München hinter sich. Spielte 33-mal für den Meister in der Bundesliga, machte sich unersetzlich, und im Endspiel der europäischen Elite durfte der Außenverteidiger erstmals die große internationale Bühne betreten. Ja, der gebürtige Memminger hat es weit gebracht, immerhin vom TSV Rot an der Rot zum deutschen Branchenprimus. Die WM könnte noch mehr bereithalten für ihn, denn Bundestrainer Joachim Löw wird ihn sicherlich als Stammspieler einsetzen. Badstuber spielt jetzt schon so hart wie sein Bayern-Kollege Mark van Bommel und so abgeklärt wie Philipp Lahm. MK
Nr. 16 Philipp Lahm, 26 Jahre alt, 65 Länderspiele, 4 Tore: Ist der jüngste Kapitän in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes und steht als solcher für flache Hierarchien. Er will nicht wie Michael Ballack den Macker machen, sondern kooperativ den Korpsgeist anstacheln. Wird in der Abwehr rechts hinten spielen. Der Profi von Bayern München kann aber auch links hinten und defensiv vor der Abwehr. Er ist flexibel, jung, eloquent, nett – jeder Mittelständler würde den gebürtigen Münchner einstellen. Doch Vorsicht: Lahm kann auch anders. Hinter der Fassade des Mannes, der keinem ein Haar krümmen kann, verbirgt sich Eigensinn. MK
Nr. 17 Per Mertesacker, 25 Jahre, 63 Länderspiele, 1 Tor: Immer wieder hat es gekriselt in der deutschen Innenverteidigung. Das lag meistens am Mann neben Mertesacker. Der Bremer war immer unumstritten. Er macht die Ansagen in der Abwehr und genießt den nötigen Respekt in der Mannschaft. Immer wieder ist er der Spieler mit den besten Zweikampfwerten. Früh erkennt er Gefahrensituationen und läuft die Bälle ab. Zur Grätsche muss er nur selten greifen. Bei der WM 2006 sah er nicht eine Gelbe Karte. Mustergültig. Ahnt er einmal einen Pass nicht voraus, wird es gefährlich. Der Schnellsten einer ist Mertesacker nicht. ARUE
Nr. 20 Jerome Boateng, 21 Jahre, 5 Länderspiele, kein Tor: Der Halbbruder. Der andere der Boatengs. Unser guter deutscher Boateng aus Neukölln. Im Gegensatz zu Kevin-Prince, dem ganz üblen Boatengbuben. Der unseren Capitano Michael Ballack so hinterhältig niedergestreckt hat kurz vor der WM. Der Verteidiger des HSV hat dann gute Einsatzchancen, wenn Neu-Capitano Philipp Lahm links spielt. Bislang in der DFB-Elf unberechenbar übermotiviert und platzverweisgefährdet. Gleich bei seiner Premiere in Russland in der WM-Qualifikation wurde Boateng wegen Kevin-Prince-artiger Mehrfachgrätschen mit Gelb-Rot dekoriert. Ein Brüderduell gegen Ghana (23. 6.), für das Kevin-Prince antritt, wäre eine Premiere der WM-Geschichte und würde den Boulevard zum Rasen bringen. Zu erwarten sind Headlines vom Fußballfamilienkrieg, von der Blutschlacht der Brüder oder von Boateng peng peng. MÜLL
Mittelfeldspieler
Nr. 6 Sami Khedira, 23 Jahre, 6 Länderspiele, kein Tor: Er hat als Kapitän schon einmal eine deutsche Nationalmannschaft zum Titel geführt. Im vergangenen Jahr war das, als die U21 des DFB Europameister wurde. Er war auch schon dreimal Meister mit dem VfB Stuttgart, mit der A-Jugend, mit der B-Jugend und 2007 mit den Männern. Er ist ein intelligenter Dauerläufer. Von den Fußballarbeitern vor der Abwehr unterscheidet er sich durch seine ordentliche Technik. Weil Michael Ballack nicht mitkicken kann am Kap, rückt Khedira in die Startelf. Khedira muss ran, und er hat Lust: „Das ist meine Chance, und ich will sie nutzen.“ ARUE
Nr. 7 Bastian Schweinsteiger, 25 Jahre alt, aber schon sagenhafte 74 Länderspiele, 21 Tore: Der Bayern-Spieler war der Shootingstar der Weltmeisterschaft 2006. Zusammen mit Lukas Podolski bildete „Schweini“, wie er in seiner postpubertären Phase genannt wurde, das Traumpaar des deutschen Fußball-Boulevards. Doch heute will er von „Schweini“ nichts mehr wissen. Der Herr Schweinsteiger ist jetzt Mitglied im Mannschaftsrat der Nationalmannschaft, ja sogar Vizekapitän ist er. Aus dem Klassenclown ist ein Klassensprecher geworden. Und aus dem offensiven Mittelfeldspieler ein defensiver. So kann’s gehen. MV
Nr. 8 Mesut Özil, 21 Jahre, 10 Länderspiele, 1 Tor: Dank ihm und Torwart Manuel Neuer schickt nur Gelsenkirchen zwei Söhne der Stadt mit dem DFB-Team zur WM. Ob der Feintechniker und manchmalige Traumpassgeber auch spielt, hängt maßgeblich von Joachim Löws taktischen Tüfteleien und Özils aktueller Form ab, die gern zwischen genial und matt mäandert. Der deutsche A-Jugendmeister 2006 mit Schalke 04 konnte sich lange nicht zwischen der Türkei und Deutschland als Team entscheiden, und S04 Ende 2007 nicht mehr für ihn: Werder Bremen griff auf der Stelle zu. An der Weser grinsen sie über ihre Instinkte wahrscheinlich immer noch. In der Hinrunde 2009/10 wählten die Kollegen Mesut Özil, der sich selbst traditionell „Spielmacher“ nennt, in der Bundesliga zum besten Spieler der Hinrunde. MÜLL
Nr. 15 Piotr Trochowski, 26 Jahre, 31 Länderspiele, 2 Tore: Beim Hamburger SV oft nur Reserve, unzufrieden und deshalb mit Wechselgedanken. Aber in Löws Kadern wie ein Dauergast, über den sich alle immer wieder wundern und der dann sogar regelmäßig spielt. Auch für Südafrika war der stille Mann, der aus Tczew in Polen stammt und mit fünf Jahren nach Deutschland kam, einer der ersten Streichkandidaten – und wieder hatten sich alle verspekuliert. Filigrantechniker im Mittelfeld für rechts wie links, der aus den Hightech-Bällen mit spezieller Schusstechnik (Vertikaleffet) alle flugtechnischen Gemeinheiten („Flattern“) herausholt und jeden Torhüter „mit verzinkten Schüssen“ (KH Rummenigge) in den Irrsinn treiben kann. Gleich geschriebener Spitzname („Troche“) wie der Uruguayo Horacio Troche, der 1966 bei der WM Uwe Seeler ohrfeigte. MÜLL
Nr. 18 Toni Kroos, 20 Jahre, 5 Länderspiele, kein Tor: Was hat der Exmanager des FC Bayern geschwärmt vom Talent des gebürtigen Greifswalders! Er wollte gar die Nummer zehn dauerhaft für den jungen Mann reservieren. Doch es wollte nicht klappen bei den Bayern. Arjen Robben hat die Zehn jetzt bekommen. Und Toni Kroos wurde ausgeliehen. Bei Bayer Leverkusen zeigte er, dass er es wirklich kann. Neun Tore hat er in der abgelaufenen Saison geschossen, zwölf Vorlagen gegeben. Im Nationalteam muss er sich erst mal hinten anstellen. Nach der WM wird das nicht anders sein. Er kehrt zu den Bayern zurück. ARUE
Nr. 21 Marko Marin, 21 Jahre, 9 Länderspiele, 1 Tor: Hatte jahrelang in Mönchengladbach quasi keine Schusstechnik – erst in Bremen bei Werder hat es ihm Trainer Thomas Schaaf offenbar beigebogen. Seitdem plötzlich auch torgefährlich. Dribbler, Flankenkönig, Wirbelwind. Der schmächtige Mann mit Knabenfigur gilt als Qualitätsjoker, wirbelig und schnell, ein Fußball-Defilibrator, der das stockende Spiel auf der Außenbahn (meist links) wiederbeleben könnte. Joachim Löw über den Odonkor 2010: „Er hat herausragende Qualitäten in 1-gegen-1-Situationen. Solche Spielertypen gibt es nicht allzu viele.“ MÜLL
Angreifer
Nr. 9 Stefan Kießling, 26 Jahre, 4 Länderspiele, kein Tor: Er war der beste deutsche Stürmer der vergangenen Bundesligasaison. Das hat viele gewundert. Denn lange galt Kießling ausschließlich als Beinahetorschütze mit Problemen beim Timing. Er war oft in der Nähe, wenn gefährliche Bälle in den Strafraum gespielt wurden. Doch allzu oft ist er ein kleines bisschen zu spät gekommen. In der Hinrunde, als es für seine Leverkusener so gut lief, bekam er plötzlich die Bälle, an denen er zuvor immer vorbeigerutscht ist. Was ihm in Vergleich zu den Kollegen im Sturm vor allem fehlt, ist Erfahrung. Aber da ist er ja nicht der Einzige im Team. ARUE
Nr. 10 Lukas Podolski, 25 Jahre, 73 Länderspiele, 38 Tore: Der in Polen geborene Gesinnungskölner aus Bergheim gilt als großes Kuriosum: Seit Jahren versieht er die Alltagsarbeit in seinen Clubs (ob FC Bayern oder derzeit FC Köln) regelmäßig lustarm bis widerwillig oder strahlt die Welt gleich von der Reservebank mit seinem sexy Strahlweiß-Lächeln an. Im DFB-Team dagegen rennt er plötzlich wie duracelliert, ballert und trifft, dass sich die Netze blähen und seine taktischen Defizite vergessen sind. Zu Beginn seiner Karriere triumphierte er zudem mit manch feinem Treffer bodenständig ungefilterten Humors. Leider hat der linke Offensiv-Mittelfeld-Angreifer mittlerweile Rhetorikseminare besuchen müssen. Seitdem sind heftig kursierende Zitate oft nur das Produkt von Poldi 2.0 und Kabarettisten. Feinsinniger Höhepunkt: „Fußball ist wie Schach – nur ohne Würfel.“ Podolski ist eben wie Sonnenschein – nur ohne Regenschirm. Seit er für Solarworld wirbt (seit Sommer 2009), weil, so Podolski, Sonne und Ball beide ins Netz müssen, ist die TecDAX-Aktie um 60 Prozent gefallen. Ansonsten ist Podolski deutlich mehr Poldi geblieben als Schweinsteiger Schweini. MÜLL
Nr. 11 Miroslav Klose, 32 Jahre, 96 Länderspiele, 48 Tore: Ist im Moment noch ein Problemfall im Team. Sucht seine Form, findet sie aber nicht. Ist trotzdem von Bundestrainer Joachim Löw im Sturm gesetzt. Sitzt bei seinem Arbeitgeber Bayern München meist auf der Bank, ist also Ergänzungsspieler, doch bei der WM soll er vorweggehen und ganz viele Tore schießen. So richtig scheint der Kopfballspezialist nicht mehr in das Gefüge der Mannschaft zu passen, dennoch hält Löw verbissen an ihm fest. Ein kleineres Wunder müsste geschehen, damit Klose seine Passivität und Tapsigkeit in Südafrika endlich überwindet. „Wir sind gespannt, was er alles aus sich herausholt“, sagt DFB-Teamkollege Per Mertesacker. Wir sind nicht minder gespannt. MV
Nr. 13 Thomas Müller, 20 junge Jahre alt, zwei Länderspiele, noch kein Tor: Er trägt eine Bürde während dieser Weltmeisterschaft. Es ist die Rückennummer. Im Normalfall hätte sie Michael Ballack getragen. Doch der ist verletzt. Müller, davon darf man ausgehen, wird die Nummer 13 mit einer Selbstverständlichkeit spazieren tragen, wie man das vielleicht nur von einem älteren Haudegen erwarten würde. Aber Müller hat in seiner recht kurzen Zeit in der ersten Mannschaft des FC Bayern München einen Reifeprozess durchgemacht, für den andere Spieler Jahre brauchen. Er wirkt frisch, ist zielstrebig, nicht auf den Kopf gefallen. Sollte sein erstes Tor im Nationaltrikot bei dieser WM schießen. MV
Nr. 19 Cacau, 29 Jahre, 8 Länderspiele, 3 Tore: Eigentlich Claudemir Jeronimo Barreto, geboren in Santo André in Brasilien. Neben dem schokoladigen Künstlernamen Cacau trägt er in Mannschaftskreisen den Spitznamen Helmut, weil er sich beim Einbürgerungstest in deutscher Politik (Kohl, Schmidt) besonders gut schlug. Schönster Satz: „Ich bin froh, dass Deutschland mich adoptiert hat.“ Jedem Tor (13 in seiner sensationellen Bundesliga-Rückrunde beim VfB Stuttgart) folgt der beidhändige Zeigefingerzeig gen Himmel: Angreifer Cacau hat sein Leben Jesus verschrieben, von dem er „unglaublichen Frieden und eine unerklärliche Freude“ empfängt. Ein überaus freundlicher Gutmensch (jenseits des Platzes mit Brille), der auf www.cacau.de die Leser mit „Hallo lieber Freund“ anspricht und oft in Jugendheimen und Christusgemeinden Vorträge hält. Nach der Karriere will er Theologie studieren. MÜLL
Nr. 23 Mario Gomez, 24 Jahre, 34 Länderspiele, 12 Tore: Galt im Trikot des Nationalteams fast immer als Tollpatsch und Chanchenkiller. Er vergurkte die tollsten Tormöglichkeiten. Beim FC Bayern, der ihn für sehr viel Geld eingekauft hat, lief es in der vergangenen Saison auch nicht gerade gut. Gomez hat sich auf einem der lukrativsten Versorgungsposten der Republik niedergelassen, mit dem Toreschießen hat Bankdrücker Gomez viel zu wenig zu tun. Er muss mehr Biss zeigen. Die jungen Streber beim FC Bayern machen vor, wies geht. MV
Betreuer
Joachim Löw, 50 Jahre, Bundestrainer: Seit 2006 ist er der Cheftrainer der Auswahl. Er steht für den fußballerischen Sachverstand in Deutschland. Dass man den DFB in Sachen Fußballkompetenz wieder ernst nimmt, liegt an seiner Arbeit. Immer wieder fordert er, dass in den Vereinen moderner gearbeitet wird. Weil er der Trainer für ganz Fußballdeutschland sein will, hat sich so mancher Klubtrainer über ihn echauffiert. Löw stört das wenig. Er arbeitet weiter an seinem Projekt: Das heißt Tempofußball. Wie lange er noch daran arbeiten wird, ist ungewiss. Das hängt nicht nur von seinem Erfolg in Südafrika ab. Für eine Vertragsverlängerung hat er vom DFB jüngst so viel verlangt, dass dessen Präsident Theo Zwanziger regelrecht schockiert war. ARUE
Hans-Dieter Flick, 45 Jahre, Trainerassistent: Der Mann, der den Fernsehzuschauern in der Halbzeit mitteilt, ob es Auswechslungen geben wird, ist einst 148-mal als Spieler in einem Bundesligaspiel aufgelaufen. Er galt als engagierter Mitläufer beim FC Bayern und dem 1. FC Köln. Zweimal war er schon Cheftrainer: beim FC Bammental und bei der TSG Hoffenheim, als die noch unterklassig war. Seit August 2006 ist der der Mann hinter Joachim Löw. Er ist der Nerd im Trainerteam und verwaltet die elektronischen Daten über den körperlichen und fußballerischen Zustand der Elitekicker. ARUE
Oliver Bierhoff, 42 Jahre, 70 Länderspiele, 37 Tore: Ist Manager der Nationalmannschaft und Chef der Vermarktungsgesellschaft „project b“ in Starnberg. Der alerte Herr Bierhoff betrachtet das Nationalteam als Unternehmung. Jeder will sich ja mit dem Nationalteam schmücken. Bierhoff stellt die Kontakte zu Großkonzernen oder Edelmarken her. Er bekam von dieser Zeitung das Label „Vermarktungsoffizier“ verpasst, was Bierhoff, der seine Interessen mit denen des Nationalteams gewinnbringend zu verknüpfen weiß, dazu veranlasste, nicht mehr mit der taz zu sprechen. Wir können das verknusen. ARUE
Andreas Köpcke, 48 Jahre, 59 Länderspiele, kein Tor: Fluglehrer für Handfußballer. MUELL