: Brüssel verliert mit Janukowitsch die Geduld
UKRAINE EU stoppt jetzt ihrerseits die Arbeit am Assoziierungsabkommen. In Kiew gehen die Proteste weiter – gegen, aber auch für die Regierung. Opposition hält an Rücktrittsforderung fest. Russland kritisiert Einmischung des Westens in Angelegenheiten der Ukraine
RUSSLANDS AUSSENMINISTER LAWROW
KIEW afp/rtr | Inmitten neuer Massenproteste in der Ukraine hat die EU-Kommission die Arbeit an dem geplanten Assoziierungsabkommen mit dem Land auf Eis gelegt. Es gebe von Staatschef Wiktor Janukowitsch kein „klares Bekenntnis“ dazu, den Vertrag unterschreiben zu wollen, schrieb EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle am Sonntag im Onlinekurzbotschaftendienst Twitter zur Begründung. Die Führung in Kiew betonte hingegen, sie setze die Verhandlungen fort. Janukowitsch hatte Ende November das mit der EU ausgehandelte Assoziierungsabkommen offenbar auf Druck Russlands kurz vor der geplanten Unterzeichnung bei dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft in Vilnius gestoppt. Seither gab es allerdings weitere Verhandlungen mit Brüssel.
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew versammelten sich am Sonntag erneut zahlreiche Gegner Janukowitschs und seiner Regierung zu einem Massenprotest. Schätzungsweise kamen bis zum Nachmittag bis zu 300.000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) im Stadtzentrum zusammen. Oppositionsführer Vitali Klitschko hatte zuvor einen „Marsch der Millionen“ angekündigt. Auch Tausende Anhänger des Präsidenten demonstrierten den zweiten Tag in Folge. Die ukrainische Opposition warf Janukowitsch vor, Staatsbedienstete zur Teilnahme an Gegenkundgebungen zu zwingen. Bereits am Samstag hatten Zehntausende Menschen für und gegen die Regierung demonstriert.
Die Stimmung in Kiew ist seit Wochen angespannt. Der Unabhängigkeitsplatz wird von Anhängern der Opposition besetzt gehalten, die sich dort hinter Schneebergen, Sandsäcken, Fässern und Stacheldraht verbarrikadieren. Nachdem ein Treffen zwischen der Opposition und Janukowitsch am Freitag ohne Ergebnis geblieben war, forderte Klitschko den Präsidenten erneut zum Rücktritt auf. Janukowitsch habe „noch immer nicht verstanden, dass seine Zeit vorbei ist“, sagte er der Bild-Zeitung vom Samstag.
Wegen des brutalen Vorgehens gegen prowestliche Demonstranten Ende November wurde am Samstag der Kiewer Bürgermeister Alexander Popow abgesetzt. Janukowitsch habe zudem den Vizechef des ukrainischen Sicherheitsrats, Wladimir Siwkowitsch, entlassen, teilte das Präsidialamt mit. Gegen sie und zwei weitere ranghohe Beamte laufen nun Ermittlungen.
Am Sonntag sprach US-Senator McCain zu den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz. „Amerika ist an eurer Seite“, rief er ihnen zu und ergänzte: „Eure Zukunft ist in Europa.“ Am Samstag hatte McCain Klitschko und Arseni Jazenjuk, Chef der Partei der inhaftierten Exregierungschefin Julia Timoschenko, getroffen. Laut der Partei sagte er Timoschenkos Tochter Jewgenija zu, mögliche Sanktionen gegen die ukrainische Regierung zu unterstützen.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf dem Westen Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine vor. Die Reaktion der Demonstranten auf die Hinwendung des Landes zu Russland sei zudem völlig überzogen, sagte Lawrow in einem am Samstag vom russischen Nachrichtensender Rossiya 24 ausgestrahlten Interview. Das lege nahe, dass der Ärger von außen geschürt werde. „Es besteht kein Zweifel daran, dass Provokateure dahinterstecken“, sagte Lawrow. „Ich bin sehr betrübt über die Tatsache, dass unsere westlichen Partner offenbar den Realitätssinn verloren haben.“
Am kommenden Dienstag will Janukowitsch erneut zu Gesprächen nach Russland reisen. Die Opposition befürchtet, dass er dort Verhandlungen über eine Freihandelsunion vorantreiben könnte.
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