: Bahn ist zu spät dran
Mit einem Rekordfestival der Verspätungen startet die Bahn in die WM. Doch weil dem Rhein-Ruhr-Verkehr weitere Mittelkürzungen drohen, wird sich die Lage auf der Schiene kaum verbessern
VON ANDREAS WYPUTTA
Ausgerechnet zur Fußball-WM bekommt die Bahn Verspätungen und Zugausfälle nicht in den Griff. Als dringend modernisierungsbedürftig gilt besonders die Rhein-Ruhr-Achse – die Strecke ist seit Jahren überlastet. „Die Infrastruktur hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel“, sagt Hans Oehl, Sprecher des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr – der VRR ist für den Nahverkehr zuständig, bestellt die erforderlichen Züge beim Konzern Bahn. „Das System stößt an seine Grenzen“, sagt Oehl.
Die Folge: Schon am Donnerstagabend ging zwischen Köln und Dortmund nichts mehr. Wegen Türstörungen, Oberleitungsschäden und „Personen im Gleis“ war unklar, wann wieder Züge fahren. In der Regionalexpresslinie 1 hielt die Bahn Reisende über eine Stunde zwischen Duisburg und Mülheim fest – und das, obwohl die Schäden im Duisburger Hauptbahnhof bekannt waren und S-Bahnen zeitweilig wieder fuhren. „Hätten wir das gewusst, wären wir umgestiegen“, klagten viele Fahrgäste. Betroffen war auch der Fernverkehr.
Am Tag des Eröffnungsspiels brach der Verkehr zwischen Düsseldorf und dem Ruhrgebiet erneut zusammen. Die Auskunft des Düsseldorfer Hauptbahnhofs konnte am Freitagnachmittag nicht sagen, wann überhaupt wieder Fahrten ins Ruhrgebiet möglich sind. Als Grund wurden wiederum Oberleitungsschäden angeführt. Hinzu kamen noch „Böschungsbrände“ und Fahrgäste, die grundlos die Notbremse gezogen hätten. Gerd Felser, NRW-Sprecher der Bahn, sprach gegenüber der taz von einem „blöden Start“. Mittlerweile habe sich die Situation wieder normalisiert. „Jetzt läuft‘s besser“, verspricht Felser.
Doch Felsers Zweckoptimismus trügt. Das Bahnnetz wird ausgedünnt. Bis 2010 will die klamme Bundesregierung beim Nahverkehr Zuschüsse von 3,3 Milliarden Euro einsparen; für NRW wären das rund 520 Millionen. Jede fünfte Verbindung könnte damit ersatzlos wegfallen, warnen Fahrgastverbände, Gewerkschaften und Landtagsopposition.
Dabei hatten Politik und Bahn den Fahrgästen wenigstens zur WM perfekten Service versprochen. Auf neuen Schienen sollte der brandneue „Rhein-Ruhr-Express“ (RRX) fahren – pünktlich, versteht sich. Mittlerweile aber wiegelt das Landesverkehrsministerium ab. „Wir warten auf eine Machbarkeitsstudie des Bundes“, sagt Stephan Heuschen, Sprecher von CDU-Landesverkehrsminister Oliver Wittke. Und für Verspätungen sei die Bahn zuständig: „Die Politik setzt nur die Rahmenbedingungen.“
Der „nationale Förderer“ Bahn aber kann nicht einmal die Frage beantworten, wie viele zusätzliche Züge zur Weltmeisterschaft eingesetzt werden. Und der Nahverkehrsverband VRR übt sich in Schadensbegrenzung: Als besonderer Service können sich die Fahrgäste auf der VRR-Internetseite seit Neuestem über die „tatsächlichen Abfahrtszeiten“ der Bahn informieren.