: Don Camillo und Peppone
Am Wochenende trat ganz Breitenfelde zu einem Benefizturnier an – Bürgermeister und Pastor inklusive. Das Geld ist für die Kassen von Kirche und Gemeinde bestimmt – die sind leer. Besuch in einem Dorf, das sich mit der Misere nicht abfinden will
von Mathias Becker
Nicht ganz Deutschland war am vergangenen Samstag im WM-Fieber. Das Dorf Breitenfelde fieberte einem Triathlon entgegen, bestehend aus den Disziplinen Tauziehen, Torwandschießen und Fußball. 30 Mannschaften traten mit jeweils acht Teilnehmern an. Rund 1.000 Zuschauer schätzten die Veranstalter. Es gab Würstchen, Salate, Bier und eine Tombola. Die Feuerwehrkapelle und eine Rockband traten auf und zum krönenden Abschluss spielten der Pastor und seine Kollegen gegen die Mannschaft des Bürgermeisters. Titel des Matches: „Don Camillo vs. Peppone“.
Politische und Kirchengemeinde treten gegeneinander an, weil sie sich in einem Punkt einig sind: Sie haben zu wenig Geld. Damit sind sie zwar nicht die einzigen in der Republik. Aber in Breitenfelde will man sich damit nicht abfinden.
„Wir bekommen jedes Jahr fünf Prozent weniger Zuschüsse vom Kirchenkreis, gleichzeitig steigen unsere Ausgaben aber um fünf Prozent“, sagt Volker Höppner. Der Pastor der Breitenfelder Gemeinde musste Mitarbeiter entlassen, er veranstaltete Sponsorenläufe. Und steuerte dennoch auf ein großes, dickes Finanzloch zu: Die Kirchenorgel zu Breitenfelde war vor 40 Jahren zuletzt renoviert worden. Dilettantisch, wie sich jetzt herausstellte. Mit einer Orgel, die so laut ist wie ein Schifferklavier, wollte Höppner nicht leben.
Dann, auf einer Weihnachtsfeier des Sportvereins, erzählte Höppner dem Sportbeamten Alfred Albrecht von seinem Problem. „Dann muss sich Breitenfelde eben bewegen“, sagte Albrecht. Und erfand den ruralen Dreikampf. 5.000 Euro spülte der in die leere Gemeindekasse. Kosmetik an einem maroden System. Dennoch: „Für uns ist das eine Riesenentlastung“, sagt Höppner, der selbst leidenschaftlich den Ball tritt.
Für ihn zeigt die Misere, wie sehr die Kirchen in Zukunft umdenken müssen. „Steuerreformen zu Lasten der Einkommenssteuer bedeuten immer auch: weniger Kirchensteuer“, erklärt er. Hinzu komme das Problem der Kirchenaustritte. „Wir werden immer stärker Flagge zeigen müssen“, prophezeit Breitenfeldes „Don Camillo“, dem das Trikot mindestens so gut steht wie die Robe.
Bürgermeister Hans-Joachim Westphal klagt, dass besonders in der Jugendarbeit „viele wichtigen Projekte“ liegen blieben. Zwar gibt es immer noch die Vereine – 1.000 Mitglieder verzeichnet beispielsweise der Breitenfelder Sportverein. Aber längst habe die 1.800-Seelen-Gemeinde mit Problemen zu kämpfen, die man sonst eher aus Großstädten kenne: Vandalismus, Drogen, Raub, Perspektivlosigkeit. Klar: Breitenfelde ist nicht Neu-Kölln.
Dafür nimmt man Anzeichen von Verwahrlosung noch ernst in dem kleinen Dorf. „Wir haben einen alten Feuerwehrschuppen zu einem Jugendzentrum gemacht“, erzählt Westphal. „Um die aufzufangen, die keinem Verein angehören.“ Doch die Aktion blieb ohne Erfolg. Einer ehrenamtliche Aufsicht tanzten die Jugendlichen auf der Nase herum. Und eine Vollzeitkraft aus Mölln bewirkte nur eins: Der Treff stand fortan leer. „Wir brauchen jemanden aus dem Ort, jemand dem die Jugendlichen vertrauen“, erklärt Westphal. „Jemanden, der bezahlt wird für seine Arbeit.“
Am 31. Mai beschloss die Große Koalition in Schleswig-Holstein, bei den Kommunen 120 Millionen Euro jährlich einzusparen. Am 1. Juni war Westphal in Kiel. Mit gut 1.300 Kollegen protestierte er vor dem Landtag gegen die Kürzungen. Der Widerstand eint die Kommunen längst über Parteifärbungen hinaus. Die Front verläuft zwischen roter und schwarzer Parteibasis einerseits und den Abgeordneten im Landtag andererseits.
Zu Hause kann CDU-Mann Westphal auf seine Leute zählen. Die Teilnahme am Triathlon hat alle Erwartungen übertroffen. „Es könnte zum Durchbruch kommen“, hofft der Bürgermeister. Wenn jedes Jahr so viele kämen, könnte mit dem Erlös schon 2007 das Jugendzentrum wieder geöffnet werden.
Am frühen Abend stimmt die Rockband „Black Hawk“ die Gitarren. Um den Dorfpokal wird noch gekämpft: Der HSV-Fanclub „Blue Bulls“ und die Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr sind nach allen Wettkämpfen punktgleich und müssen noch mal ans Seil. Die Brandbekämpfer siegen knapp, während Westphal sich für den Abschluss-Auftritt umzieht. Als „Peppone“ im roten Trikot muss der CDU-Mann mit seiner Gemeindevertretung 15 Minuten lang gegen die Mannschaft von Pastor Höppner anrennen. Der, so munkelt man, habe sogar zwei Spieler aufgestellt, die gar nicht aus Breitenfelde kommen. Große Aufregung. Doch die Wogen glätten sich, als Westfals Team nach zwei Minuten 1:0 in Führung geht. Nur zwei Minuten später steht es sogar 2:0. Langsam lässt die Kondition nach, und die meisten Spieler finden sich spätestens in der zweiten Halbzeit schnaufend und schwitzend in unfreiwilliger Abwehrposition. Einzig Pastor Höppner ackert wie wild und kann den 2:1 Anschluss noch erkämpfen. Aber es reicht nicht mehr: Am Ende siegen die Gemeindevertreter über die kirchlichen Amtsträger.