IN DER PARTYTRAM
: Willkommen zurück

Diesmal sind wir es, die auf den Bahnsteig fallen

Freitagabend. Mein großer Bruder aus der kleinen Stadt ist zu Besuch. Als für die meisten Berliner der Abend erst beginnt, machen wir uns nach Museum und Theater touristenträge schon wieder auf den Nachhauseweg. Nur noch eben an der Eberswalder Straße in die M10 steigen, ein paar Stationen, dann sind wir da.

Die Türen der Straßenbahn öffnen sich, eine taumelnde Masse fällt uns entgegen. Rasch treten wir einen Schritt zurück, um nicht als Prellbock für die betrunkenen Partygänger dienen zu müssen. Ich fahre meine Ellenbogen aus und ziehe meinen Bruder hinter mir ins Gewühl.

„Ist das immer so voll?“, ruft er irritiert, während ich mich zwischen zwei Fahrrädern zu einem Sitz durchdränge. Ein paar Mädchen lassen sich kichernd fallen und stoßen dann auf den erkämpften Platz an. „Tja“, antworte ich, „willkommen in der Partytram.“ Im hinteren Teil des Wagens scheppert Musik aus einem Handy. Am anderen Ende beginnt ein Flaschensammler dagegen anzugrölen.

Mein Bruder guckt sich immer noch verwirrt um, als die Tram anfährt. Zusammen mit allen, die keinen Zugang zu den signalgelben Haltestangen haben, kippt er rückwärts. Bier spritzt. Jemand nörgelt. Mein Bruder guckt pikiert. „Willkommen in der was?“, fragt er, sobald er wieder gerade steht. Doch dann kommt der nächste Halt, und alle fallen in die entgegengesetzte Richtung.

Bevor ich ihm antworten kann, sind wir da. Diesmal sind wir es, die auf den Bahnsteig fallen. Ein junger Mann, zurückgegelte Haare, hochgestellter Kragen, dient nun uns als Prellbock und steigt dann ein. Ehe die Türen sich schließen, sehen wir ihn triumphierend seinen Platz im Waggon einnehmen. Er streckt die Hände gen Himmel, die Zeigefinger ausgestreckt, und ruft, als würde er nach langer Abwesenheit endlich nach Hause kommen: „Partytram!“

DANA STEGLICH