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Archiv-Artikel

Verfassungshüter lieber zu dumm als zu dreist

Bei der Spitzelaffäre räumt Innensenator Körting Fehler ein. Seine Behörde habe nur Autonome beobachten wollen, nicht das Sozialforum. Die Linkspartei stellt diese Erklärung zufrieden. Grüne und WASG nicht. Sie fordern Akteneinsicht

Die Fehler sind eingestanden, von Reue fehlt dennoch jede Spur. Gestern hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zugegeben, dass Mitarbeiter seiner Abteilung für Verfassungsschutz Fehler unterlaufen sind. Bei der Beobachtung von autonomen Gruppen innerhalb des Sozialforums sei „relativ undifferenziert“ vorgegangen worden, sagte Körting. Der Vorgang werde nun umfassend überprüft.

Der Verfassungsschutz war am Wochenende in die Kritik geraten, weil es über Jahre hinweg den FU-Politologen Peter Grottian und das von ihm mitgegründete Berliner Sozialforum beobachtet haben soll. Das Forum hat vor allem die außerparlamentarischen Proteste gegen die Sozialkürzungen – etwas die Hartz-IV-Reformen – organisiert.

Zunächst hatten die Verfassungsschützer die Vorwürfe zurück gewiesen. Nun betont Körting, weder das Sozialforum noch Grottian seien direkt Beobachtungsobjekte gewesen. Seiner Behörde sei es ausschließlich um die autonome Szene gegangen, die versuche, das Sozialforum zu instrumentalisieren. Bei „derartigen Gemengelagen“ sei die Trennung „nicht immer einfach“, räumte ein Sprecher des Verfassungsschutzes ein. Daher gebe es in den Akten „auch vielfältige Informationen, die das Berliner Sozialforum betreffen“.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei) gab sich mit der Erklärung zufrieden. Der kritikwürdige Punkt, dass die Abgrenzung nicht genügend beachtet wurde, werde nun im zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert, sagte Wolf. Dort werde auch über ein Procedere diskutiert werden, „damit so etwas nicht wieder passiert“.

Den oppositionellen Grünen genügte diese Erklärung nicht. Fraktionschef Volker Ratzman betonte, es könne nicht sein, dass der Verfassungsschutz ohne Rechtsgrundlage „quasi als Abfallprodukt kleine, feine Vorgänge über für sie interessante Organisationen und Personen anlegt“. Ratzmann hat gestern beim Innensenator Akteneinsicht beantragt. Auch die WASG ist empört: „Wir wollen wissen, ob die gesamte Bewegung gegen Rot-Rot beobachtet worden ist“, sagte Vorstandsmitglied Michael Hammerbacher. Nicht nur das Sozialforum, sondern tausende Menschen seien gegen die Kürzungspolitik des Senats auf die Straße gegangen. „Sie alle haben ein Recht auf Aufklärung“, betonte Hammerbacher.

Uschi Volz-Walk vom Berliner Sozialforum nannte die Bespitzelung „absurd“. Das Forum sei von Anfang ein offenes Plenum gewesen: „Alles, was besprochen wird, kann auf der Webseite nachgelesen werden.“ FELIX LEE