Aufstand gegen Guineas sterbenden Diktator

Nach einer Woche Generalstreik und vielen Toten bei Unruhen spitzt sich die Krise in dem westafrikanischen Land zu

BERLIN taz ■ Nichts geht mehr in Guinea. Seit vergangenem Donnerstag befindet sich das bitterarme Land im Generalstreik. Und seit die Armee am Montag bei der Niederschlagung von Demonstrationen in verschiedenen Städten 18 Menschen erschoss, erscheint eine Beruhigung unwahrscheinlich. UN-Generalsekretär Kofi Annan, der ein neues Bürgerkriegsland in Westafrika unbedingt vermeiden will, rief am Dienstag „alle Teile der guineischen Gesellschaft“ zu einem „konstruktiven Dialog“ auf.

Genau das lehnt das Regime von Präsident Lansana Conté hartnäckig ab. 1984 per Militärputsch an die Macht gekommen und seit den 90er-Jahren dreimal notdürftig durch äußerst unvollkommene Wahlen bestätigt, ist Conté zwar mittlerweile todkrank, lehnt aber jede öffentliche Diskussion über politische Reformen ab. Diese fordern sämtliche Oppositionsparteien sowie Teile des Militärs. Als im März der Präsident schon einmal in die Schweiz notevakuiert wurde und Guinea täglich mit seinem Ableben rechnete, legte die Opposition eine Verhandlungsplattform vor, die eine zweijährige Übergangszeit in Richtung Demokratie vorsah. Conté regierte im April mit einem für Guineas undurchsichtigen Hofstaat typischen Vorgang: Die Verlesung einer Kabinettsumbildung im Rundfunk wurde von Soldaten unterbrochen und durch die Entlassung des Premierministers ersetzt.

Bereits Anfang März protestierte die Bevölkerung per Generalstreik gegen Diktatur, hohe Inflation und massive Verarmung – die meisten Gehälter reichen nicht einmal mehr für Grundnahrungsmittel. Seit 8. Juni ist erneut Generalstreik. Sogar der Bergbau schloss sich dem Ausstand an – Guinea hat die weltgrößten Reserven des Aluminiumerzes Bauxit und ist daher in der Weltwirtschaft wichtig, obwohl die Förderung derzeit darniederliegt.

Der Generalstreik artete schnell in Gewalt aus. Schon am 10. Juni verwüsteten Soldaten die Universität Foulayah im Ort Kindia. Am Sonntag verkündete der Gewerkschaftsdachverband CNTG-USTG eine unbefristete Verlängerung des Ausstands, womit auch die für den nächsten Tag vorgesehenen Schulabschlussprüfungen ausfielen. Als daraufhin am Montag Oberschüler und Studenten landesweit auf die Straße gingen, trat das Militär in Aktion und tötete im ganzen Land nach neuesten Bilanzen aus Krankenhäusern 18 Menschen.

„Es ist ein Volksaufstand“, berichtete ein Student in einem Internetforum aus der Hauptstadt Conakry. „Überall hört man das Rattern der automatischen Gewehre. Aus Mangel an Krankenwagen sterben die Schüler auf der Straße. Manche denken, dass Soldaten niederer Ränge, die im Elend leben, die Lage ausnutzen, um die Läden zu plündern.“ Allein in Conakry, wo die Präsidialgarde auf die Menge schoss, soll es zehn Tote gegeben haben.

Auch am Dienstag war Gewehrfeuer in Conakry zu hören. Oppositionelle berichten von nächtlichen Verhaftungen von Regimegegnern. Gestern waren Gespräche zwischen Regierung und Gewerkschaften angesagt, denen aber kein Beobachter eine Chance gab. DOMINIC JOHNSON