Das lange Schweigen der Scheinehe-Ermittler

CIFTLIK-PROZESS Verteidigerin fordert Ablösung der Staatsanwaltschaft oder Verfahrenseinstellung

Es war der Auftritt der Johanna Dreger-Jensen. Die Verteidigerin des Mitangeklagten Kenan D. beantragte am Mittwoch im Scheinehe-Prozess gegen D. und Bülent Ciftlik vor dem Amtsgericht St. Georg die Verfahrenseinstellung, weil die Grundsätze eines fairen Prozesses nicht gewährleistet seien. Ersatzweise forderte sie die Ablösung von Staatsanwalt Michael Elsner, dem sie „systematische Aktenunterdrückung und Beweismittelvernichtung“ vorwarf.

Elsner hatte dem Gericht und der Verteidigung zwei zentrale Informationen wochenlang vorenthalten. Er hatte zum einen nicht darüber informiert, dass eine Zeugin die Aussage im Prozess verweigern könne, da gegen sie in einem ähnlichen Verfahren ermittelt werde und sie sich deshalb selbst belasten können.

Zum anderen hatte er verschwiegen, dass eine dubiose Mail, die angeblich von der angeklagten Nicole D. verfasst worden war, bereits Ende April im Spam-Ordner ihres E-Mail-Accounts gefunden worden war. Da diese Mail, deren Echtheit die Staatsanwaltschaft bezweifelt, nicht elektronisch gesichert worden sei, lasse sich nun nicht mehr überprüfen, auf welchem Weg sie in Nicole D.s Account gelangt sei, legte Dreger-Jensen nach.

Staatsanwalt Elsner bezeichnete die Anträge als „gegenstandslos“ und könnte damit richtig liegen. Eine Verfahrenseinstellung wegen der Verletzung des Gebots eines fairen Verfahrens ist in der deutschen Rechtssprechung sehr selten und an schwere Verfahrensfehler gebunden. Da über die Ablösung von Elsner nicht das Gericht sondern nur sein Dienstherr entscheiden kann, gilt sie als äußerst unwahrscheinlich.

Kommenden Dienstag wird der Prozess fortgesetzt – der Verteidiger von Bülent Ciftlik hat die Vernehmung von vier weiteren Zeugen beantragt. MARCO CARINI