: Mehr Kontrolle der Schnüffler
USA 46 Empfehlungen für die Einhegung der Überwachung hat eine von Präsident Obama eingesetzte Expertenkommission ausgearbeitet. Die Geheimdienste sind nicht begeistert
AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Mehr Rechtsstaat, mehr Datenschutz und mehr Kontrolle über die SchnüfflerInnen, lauten die Empfehlungen eines hochkarätig besetzen Expertengremiums an den US-Präsidenten. Sechs Monate nach dem Beginn der Enthüllungen von Edward Snowden hat das Weiße Haus am Mittwoch den 300 Seiten langen Bericht veröffentlicht.
Unter anderem wird darin angeregt, die unspezifische und massenhafte Sammlung von Milliarden von „Metadaten“ bei der NSA abzuschaffen, die Beschaffung von Daten durch „Hintertürchen“ (Lücken in Computersystemen) zu beenden, die Fisa-Geheimgerichte mit öffentlichen AnwältInnen zu verstärken und die künftige Überwachung ausländischer SpitzenpolitikerInnen von der direkten Zustimmung des US-Präsidenten abhängig zu machen.
Das Expertengremium regt außerdem an, die NSA und das Cyber-Kommando organisatorisch voneinander zu trennen und die Möglichkeit für eine künftige zivile (statt der bisher grundsätzlich militärischen) Leitung der NSA zu öffnen.
„Wir hatten kosmetische Reformen erwartet“, sagt Ben Wisner von der Bürgerrechtsgruppe Aclu, der zugleich als Anwalt für Snowden arbeitet, „aber dies hier geht sehr viel weiter. Das würde zu riesigen Veränderungen in der Überwachungstechnologie und -arbeit führen.“
Die „Geheimdienstgemeinschaft“ in den USA hatte sich bereits in den Tagen und Wochen vor Bekanntwerden des Berichtes gegen einzelne Empfehlungen ausgesprochen. Unter anderem beklagen die Geheimen, ihre Arbeit werde „verlangsamt“, wenn sie nicht mehr selbst die milliardenfachen Metadaten lagern dürften. Der Bericht schlägt vor, dass künftig nur die Telekommunikationsunternehmen die Daten ihrer KundInnen lagern und die NSA nur mit gezielten Anfragen und richterlichen Entscheiden für jeden einzelnen Fall Zugriff erhält.
Im Weißen Haus musste Sprecher Jay Carney anlässlich der Veröffentlichung des Berichtes erstmals etwas Positives über Snowden sagen. Dessen Enthüllungen, so Carney, hätten zu dem Zustandekommen des Berichtes beigetragen. Der US-Präsident will die 46 Empfehlungen über Weihnachten lesen. Und im Januar bekannt geben, welche Empfehlungen er zu seiner Politik macht und welche nicht.
Ursprünglich sollte der Bericht mit dem Titel „Freiheit und Sicherheit in einer Welt, die sich verändert“ erst im Januar veröffentlicht werden. Angesichts der skeptischen öffentlichen Meinung in den USA sowie der lauter werdenden Kritik aus großen Internet-Unternehmen an der Arbeit der NSA hat das Weiße Haus die Veröffentlichung vorgezogen. Am selben Tag stimmte die Vollversammlung der Vereinten Nationen einer von Brasilien und Deutschland vorgelegten Antispionageresolution und Datenschutzresolution zu.
Barack Obama hatte das Gremium im August mit der Arbeit an dem Bericht beauftragt. Die fünf Autoren – allesamt Männer – stammen aus seinem politischen Umfeld. Und stehen zugleich für die geheimdienstliche und militärische Kontinuität in Washington. Sie sind Verfassungsrechtler, Datenschützer und Geheimdienstexperten. Einer, Michael Morell, hat mehrfach die Geschäfte der CIA geleitet. Er ist der Berater, der am 11. September 2001 zu George W. Bush gesagt hat: „Ich wette jeden Dollar, den ich habe, dass es al-Qaida ist.“ Bei der Tötung von Osama bin Laden im Mai 2011 war er Berater Obamas.
In ihrem Bericht halten die Experten fest, dass die Gefahr des Terrorismus nicht gebannt sei. Zugleich plädieren sie gegen die Krake NSA: „Freie Nationen müssen sich schützen. Und Nationen, die sich schützen, müssen frei bleiben.“