: Schweigepflicht für Biobanker
KÖRPERSUBSTANZEN Der Deutsche Ethikrat möchte Genforschern den Zugriff auf Körpergewebe und Daten der Probanden erleichtern. Zum Schutz der „Spender“ soll ein Bankgeheimnis für Biobanken eingeführt werden
Die vom Deutschen Ethikrat empfohlenen Regelungen sollen nur für Biobanken gelten, die die drei nachfolgenden Kriterien erfüllen: Sie enthalten erbsubstanzhaltige Materialien von Menschen. Die Proben sind mit personenbezogenen Angaben und Gesundheitsdaten verknüpft. Die Proben und Daten werden für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung gesammelt. Für kommerzielle Sammlungen, deren Zweck einzig darin besteht, Proben und Daten zu verkaufen, sollen die Empfehlungen des Ethikrates nicht gelten. „Insoweit bleibt es hier bei den bestehenden allgemeinen Rechtsvorschriften“, heißt es dazu in der Stellungnahme des Ethikrates. Hier bleibe es jedem, der eine DNA-Probe an eine kommerzielle Datenbank abgibt, selbst überlassen, was er dem Betreiber erlaubt, wie dieser mit der Probe und den daraus gewonnen Daten umgehen darf. Biodatenbanken wie etwa 23andMe, an der auch Google beteiligt ist, könnten somit weitermachen wie bisher. (wlf)
VON KLAUS-PETER GÖRLITZER
Der Grundsatz gilt für jede Forschung am Menschen: Wer an einer klinischen Studie teilnimmt, muss wissen können, worauf er sich einlässt. Zwingend ist eine verständliche Aufklärung über Forschungszwecke, angestrebte Verwertung der Ergebnisse, gesundheitliche Risiken. Nur so ist – zumindest in der Theorie –erreichbar, was Juristen „informierte Einwilligung“ nennen.
Der Deutsche Ethikrat (DER) empfiehlt dem Gesetzgeber nun die Einführung eines neuen rechtlichen Instruments, das Genforschern die Arbeit erleichtern und gleichzeitig die Interessen von Probanden schützen soll: das „Biobankgeheimnis“.
Typisch für Biobanken ist, dass Menschen Körpersubstanzen und Daten für Forschungsprojekte zur Verfügung stellen, „die zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht definiert sind“, erläutert der DER in seiner ausführlichen Stellungnahme „Humanbanken für die Forschung“. Eine „Vorausinformation“, wie lange und für welche Zwecke Proben und Daten genutzt werden sollen, sei „in der Regel nicht möglich“, heißt es dort.
Solche „strukturellen Besonderheiten“, die eine informierte Einwilligung der Spender praktisch unmöglich machen, stellt der DER nicht in Frage. Die Einschränkung der Information sei legitim, wenn im Gegenzug ein gesetzlich festgeschriebenes Biobankgeheimnis gelte.
Dies sieht nach Empfehlung des DER im Kern eine „Schweigepflicht“ vor, die für alle Mitarbeiter einer Biobank und Forscher gelten soll, die auf Proben und Daten zugreifen wollen. Sofern diese verschlüsselt oder anonymisiert seien, müssten Maßnahmen zur Identifikation der Spender untersagt werden.
Eine Weitergabe persönlicher Spenderdaten an nichtwissenschaftliche Einrichtungen wie Versicherungen und Arbeitgeber sei zu verbieten. Den Zugriff interessierter Strafverfolger soll ein Beschlagnahmeverbot ausschließen. Unter diesen Voraussetzungen soll es nach Meinung des DER für Spender auch opportun sein, eine Art Blankoscheck auszustellen, also ihre Proben und Daten ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Forschungsprojekt oder -gebiet „zeitlich unbegrenzt für wissenschaftliche Forschung“ zur Verfügung zu stellen.
Ein wichtiges Recht soll der Spender allerdings nicht aufgeben dürfen: die Option, die Verwendung seiner Daten und Proben jederzeit widerrufen zu können, solange diese nicht anonymisiert worden sind.
Zum „Fünf-Säulen-Konzept“ des DER für die gesetzliche Regulierung von Biobanken gehört auch die „Einbeziehung von Ethikkommissionen“. Allerdings sollen diese nur dann ein zustimmendes Votum abgeben müssen, wenn Forscher mit personenbezogenen Daten und Proben arbeiten wollen; ist die Identität der Spender dagegen nicht erkennbar, sei es entbehrlich, Einzelprojekte zu begutachten – weil ja das Biobankgeheimnis gelte, meint der DER.
Ungewiss ist, wie viele Biobanken es hierzulande in Kliniken, Laboren und Pharmafirmen überhaupt gibt. Für Überschaubarkeit könnte gemäß Empfehlung des DER ein „öffentliches Biobankenregister“ sorgen. Es soll im Internet stehen, Verantwortliche und Rechtsform der jeweiligen Biobank nennen und allgemeinverständlich über Aktivitäten, Sammel- und Speicherregeln berichten. Allerdings sagt der DER nicht, ob Biobanken auch verpflichtet werden sollen, ihre Daten via Register bekannt zu machen.
Gefördert mit 256.000 Euro vom Bundesforschungsministerium, baut der Verein „Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze“ (TMF) derzeit ein „Deutsches Biobanken-Register“ im Internet (www.biobanken.de) auf. Bisher sind dort Angaben zu 26 Biobanken zu lesen – in englischer Sprache, denn erklärter Anspruch des Registers ist nicht nur „Transparenz“. Vor allem geht es darum, internationale „Kooperationen zwischen Wissenschaftlern zu vermitteln“.
Als Ressource für genetische Forschung nutzen Wissenschafter im In- und Ausland zunehmend sogenannte Biobanken. Der Begriff meint Sammlungen von Proben menschlicher Körpersubstanzen wie Blut, Gewebe und Urin, die molekulargenetisch analysiert und mit gesundheitsbezogenen sowie anderen persönlichen Daten über die „Spender“ elektronisch verknüpft werden können. Diese Methodik soll es ermöglichen, genetische Risikofaktoren zu ermitteln und deren Verbreitung in der Bevölkerung abzuschätzen. Außerdem sollen die von Unikliniken, Laboren und Pharmafirmen angelegten Probensammlungen die Entwicklung von Diagnostika und Arzneimitteln unterstützen. KPG
In einer ersten Stellungnahme schließt sich die TMF „vorbehaltlos“ der folgenden Aussage des DER an: „Wenn man Biobanken als Ressource für die wissenschaftliche Forschung akzeptiert, sind Regelungen erforderlich, die eine weniger restriktive Zweckbindung für die Nutzung von Biobankmaterialien und -daten zulassen als im geltenden Datenschutzrecht vorgesehen.“
In Unikliniken lagern zig Millionen Proben von Körpersubstanzen, die bereits gesammelt wurden, als über gesetzliche Regeln für Biobanken noch gar nicht diskutiert wurde. Diese sogenannten Altproben, entnommen in der Regel für diagnostische Zwecke und gelagert ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen, will der DER offensichtlich nicht antasten.
In einer Fußnote seiner langen Stellungnahme verweist er auf „Übergangslösungen“, die der Nationale Ethikrat (NER), also das Vorgängergremium des DER, 2004 befürwortet hatte. Darin heißt es: „Die Sammlungen wären für die Forschung verloren, wenn man sie rückwirkend nach heutigen Kriterien beurteilen und für ihre Nutzung eine wirksame Einwilligung und Aufklärung fordern würde.“