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Archiv-Artikel

E-Mail, die zweite

SCHEINEHE-PROZESS Erneut taucht eine angeblich von Nicole D. verfasste Mail auf, in der sie ihre Beschuldigungen gegenüber Bülent Ciftlik als erfunden darstellt

Original oder Fälschung? Zum zweiten Mal taucht im Scheinehe-Verfahren um den SPD-Politiker Bülent Ciftlik jetzt eine Email auf, in der die Mitangeklagte Nicole D. ihre Prozesseinlassungen als Rachefeldzug gegen Ciftlik klassifiziert und sich selbst der Falschaussage bezichtigt. Am morgigen Dienstag wird vor dem Amtsgericht St. Georg damit die Frage im Mittelpunkt stehen, ob Nicole D. ein perfides Doppelspiel treibt oder ob aus dem Umfeld von Ciftlik mit krimineller Energie systematisch Dokumente gefälscht werden, um den Politiker zu entlasten.

Am vergangenen Donnerstag erhielt Richter Lutz Wegerich, der das Verfahren leitet, Besuch von Rechtsanwalt G. Der Jurist legte ihm eine E-Mail vor, die seine Mandantin Constanze K. von ihrer Bekannten Nicole D. erhalten habe. In der von D.s E-Mail-Account am vergangenen Montag versendeten Mail heißt es über Ciftlik: „Er ist immer noch nicht damit klargekommen, dass die Anstifter-Jacke, die ich ihm geschneidert habe, eine Zwangsjacke ist, aus der er nicht mehr herauskommen kann. Deshalb wird er auch verurteilt werden.“

Zudem heißt es in der angeblich von Nicole D. verfassten Mail, sie werde „bei den Dingen bleiben, die ich ausgesagt habe“. Auch eine erste, von ihr unterschriebene Mail vom 15. April 2010, deren Urheberschaft Nicole D. vor Gericht bis heute vehement bestreitet, wird in dem Schreiben als tatsächlich von ihr selbst verfasst klassifiziert.

Richter Wegerich hat dem Vernehmen nach mit Provider-Anfragen bereits Untersuchungen über die Herkunft der elektronischen Post eingeleitet. Doch schon die Überprüfung der ersten „Bekennermail“ ergab keinen eindeutigen Befund. Während die Staatsanwaltschaft von einer Fälschung ausgeht, haben die VerteidigerInnen von Ciftlik und dem Mitangeklagten Kenan D. keine Zweifel daran, dass die E-Mail von Nicole D. verfasst wurde.

Inzwischen wurde auch bekannt, dass die Staatsanwaltschaft den von Kenan D.s Verteidigerin geforderten Austausch von Oberstaatsanwalt Michael Elsner ablehnt. Sein Dienstvorgesetzter Peter Stechmann räumt dabei allerdings Versäumnisse seiner Behörde ein. So habe Elsner es „in der Hektik der Hauptversammlung versäumt“ die notwendige Belehrung einer Zeugin „anzuregen“, ein Screenshot, der die Existenz der ersten „Bekennermail“ in Nicole D.s Spam-Ordner belegt, sei „versehentlich“ in einer falschen Akte gelandet. MARCO CARINI