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Das schwarze Team aus den zwei Enklaven

Ecuador taucht in diesen Tagen aus den Tiefen der südamerikanischen Geografie auf. Und zwar wegen zwei Hand voll Fußballern, die zu den fünf Prozent afrikanischstämmiger Bevölkerung Ecuadors gehören. Tatsächlich sind nur 600.000 von 12 Millionen Ecuadorianern schwarz. Und wegen ihrer herausragenden sportlichen Leistungen haben sie auch rassistische Vorurteile besiegt.

Ecuador war in den vergangenen Jahrhunderten kaum sichtbar. Das Land wurde von den größeren und international präsenten Nachbarländern wie Kolumbien oder Peru in den Schatten gestellt. In den drei Jahrhunderten des spanischen Kolonialismus unterstand das heutige Ecuador abwechselnd den kolonialen Regierungen in Bogotá und Lima. Die vor allem auf Textilproduktion für den regionalen Markt konzentrierte Ökonomie geriet in eine tiefe Krise, als Spanien im 18. Jahrhundert die Märkte mit seinen Produkten überschwemmte und unsere Exporte nach Peru, Bolivien oder Chile verbot. Im 19. und weiten Teilen des 20. Jahrhunderts exportierte Ecuador Kakao, dann Bananen, seit 1970 kam Erdöl hinzu. Und stets blieb es ein ländlich geprägtes Land mit wenig internationaler Präsenz. Wir Ecuadorianer sind Bewohner eines erfundenen Landes auf einer erfundenen Linie, dem Äquator.

Die Geschichte der Schwarzen in Ecuador ist etwas Besonderes in Lateinamerika. Die Historie und die Legenden erzählen, dass 1533 ein Schiff vor den Küsten des heutigen Ecuador unterging, das Waren und Sklaven von Panama in den Süden des Kontinents transportierte. 17 schwarze Männer und 6 schwarze Frauen erreichten die Küste und besiedelten den Urwald in einer Zone, die nach den Edelsteinen in seinen Flüssen Esmeraldas (Smaragde) heißt. In Esmeraldas verteidigten sie ihre Freiheit gegen die Versuche der Kolonialmächte, sie wieder zu Sklaven zu machen. Dort entstand eine reiche, freiheitsliebende Kultur, die ihre Identität und ihren Stolz bis heute bewahrt.

Angeführt von einem der Überlebenden des Schiffbruchs, der den Namen seines alten „Besitzers“ annahm, Alonso de Illescas, verwandelte sich die schwarze Gemeinschaft in Esmeraldas zum Zufluchtsort von zahlreichen entflohenen Sklaven. Viele von ihnen starben beim Versuch, ihre Freiheit in Esmeraldas zu gewinnen, denn die kolonialen Sklavenhalter bestraften dies mit dem Tod.

Eine zweite schwarze Enklave entstand in kolonialen Zeiten durch die Jesuiten in dem in den Anden gelegenen kleinen Chotatal. In tropischem Klima wurden die Sklaven zur Produktion von Zuckerrohr und Zuckerrohrschnaps auf riesige Plantagen der Compañía de Jesús gebracht. Zu dieser Zeit besaß die katholische Kirche die größten Plantagen im Land.

Esmeraldas und Chota blieben aus unterschiedlichen Gründen über alle Jahrhunderte hinweg Gemeinschaften, in denen 90 Prozent Schwarze leben. Esmeraldas isolierte sich vom Rest des kolonialen Gebiets, weil es bis zur Abschaffung der Sklaverei in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Zuflucht für freie Schwarze blieb. Und Chota unterschied sich durch seine tropische Prägung völlig vom Rest der Anden; es war ein abgegrenztes Revier mit strapaziösem Klima für alle Menschen nichtafrikanischen Ursprungs.

Aus diesen Enklaven, Esmeraldas und Chota, kommen jene, die heute die überraschend starke Nationalmannschaft eines der kleinsten Länder Lateinamerikas bilden. Sie sind zum zweiten Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei und bereit, Wunder zu vollbringen. Und Wunder gehören in unseren lateinamerikanischen Kulturen auch zum täglichen Leben. JAVIER PONCE

Aus dem Spanischen

von Karin Gabbert

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