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Archiv-Artikel

Vogelgrippe ruiniert Bauern

Geht es nach Agrarminister Horst Seehofer, sollen Hühner für lange Zeit eingesperrt bleiben. Das treibt die Kosten. Nur industrielle Geflügelmäster haben eine Chance

DORTMUND taz ■ Kein Land in der EU ist wie Deutschland so sehr davon überzeugt, dass Wildvögel die Vogelgrippe einschleppen könnten. Während sämtliche EU-Länder Anfang Mai die Stallpflicht für Geflügel aufgehoben haben, will CSU-Bundesagrarminister Horst Seehofer an der bundesweiten Aufstallungsverordnung festhalten. Gestern debattierte darüber der Agrarausschuss der Länder – und damit über die Zukunft der Geflügelwirtschaft.

Die Positionen der Länder haben sich gedreht. Im vergangenen Jahr wollte etwa Niedersachsen, das Land mit der größten Geflügeldichte Europas, die Stallpflicht so schnell und lang wie möglich. Nun möchte das Land seine Hühner allenfalls bis Januar 2007 in die Ställe sperren: Bei 30.000 Proben, die während des afrikanisch-europäischen Frühjahrszuges getestet wurden, seien keine Grippeerreger gefunden worden. Noch solle zwar der Vogelzug im Herbst abgewartet werden. Dann könne die Vogelgrippe aber als „Jahr-2006-Problem“ abgehakt werden.

Kaum ein Landespolitiker fordert noch die Stallpflicht – aus Rücksicht auf die Bauern. Schon heute gilt das generelle Freilaufverbot fast nur noch auf dem Papier: Bauern, die ihre Tiere nicht in der Nähe von Rastplätzen für Zugvögel oder industriellen Geflügelkomplexen halten, können eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

Trotzdem erklärt Gerald Wehde vom Anbauverband Bioland: „Die Hälfte der kleineren Gänsehalter musste bereits aufgeben.“ Denn die kleinen Betriebe halten bis zu 100 Gänse, die sie zum Martinstag oder zu Weihnachten verkaufen. Das Problem: Gänse werden aggressiv, wenn sie zu wenig Auslauf und Beschäftigung haben. Sie brauchen teure Extra-Unterkünfte.

Hühner- und Putenhalter leiden ebenfalls. Den Verbrauchern ist der Appetit auf das weiße Fleisch zumindest zeitweise vergangen. Karl Meise von der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftskammer schätzt: „In Deutschland sind rund 15.000 der 40.000 kleinen und mittelbäuerlichen Betriebe ruiniert.“ So steht auch ein thüringischer Hersteller von Hühnerstall-Klappen vor der Pleite. Und eine Firma, die Geflügel beringt, klagt über Umsatzeinbußen.

Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft hat unlängst 150 Millionen Euro Nothilfe gefordert. Die Bundesregierung will aber nur ein 10 Millionen Euro teures Programm auflegen, wobei die Hälfte die EU zahlen soll. Mit dem Geld sollen zum Beispiel Eier vernichtet werden, die eigentlich zur Zucht gedacht waren. Noch hat die EU den Zuschuss aber nicht genehmigt.

KATINKA SCHRÖDER