: Neue Regeln für Rattengift und Mäuseköder
CHEMIKALIEN Welche Insektensprays, Desinfektionsmittel oder Mottenkugeln in der EU an wen verkauft werden dürfen, regelt eine neue Verordnung. Verhaltenes Lob von Umweltverbänden, Kritik der Industrie
BERLIN taz | Insektensprays oder Holzschutzmittel dürfen künftig nicht mehr zugelassen werden, wenn ihre Inhaltsstoffe extrem giftig sind und sich in der Umwelt anreichern. Das hat der Umweltausschuss des EU-Parlaments am Dienstag mit der Abstimmung der neuen Biozid-Verordnung beschlossen. Sie regelt die Zulassung, den Verkauf und die Anwendung von Bioziden, das sind Chemikalien, die Insekten, Bakterien oder Ratten vernichten können. Unter anderem fordert sie eine spezifische Überprüfung für Inhaltsstoffe, die Nano-Partikel enthalten.
Diese Tests hatten Umweltverbände lange gefordert. In vielen Produkten wie etwa Strümpfen werden Bakterien mit winzigen Nano-Bestandteilen bekämpft, deren Wirkung auf Mensch und Umwelt aber unklar ist.
Die Bilanz des neuen Regelwerks fällt bei den Umweltverbänden gemischt aus: Die Aufnahme von Umweltkriterien in den Zulassungskatalog sei gut, sagt Christian Schweer vom Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN. Anne Stauffer von der Brüsseler Verbraucherorganisation Health and Enviroment Alliance begrüßte „Verbesserungen für die Gesundheit vor allem von Schwangeren und Kindern“. Auch würden „Cocktaileffekte“ stärker berücksichtigt, also das Zusammenspiel verschiedener Chemikalien. Die Zulassungsverfahren blieben aber schlecht: Künftig können Hersteller ihre Produkte EU-weit bei der europäischen Chemikalien-Agentur Echa zulassen. Diese müsse ihre Prüfverfahren innerhalb von drei Monaten abschließen und sei zudem bereits überlastet, kritisiert Axel Singhofen, Umweltreferent der Grünen im EU-Parlament. Ein wissenschaftliches Verfahren sei da nicht zu leisten.
Schon die Umsetzung der ersten Biozidrichtlinie von 1998 war langwierig. 2004 wurden die Wirkstoffe EU-weit überprüft, während die rund 25.000 Produkte weiter verkauft wurden. Erst seit Jahresanfang wird über Zulassungen entschieden. Der Verband der chemischen Industrie spricht deshalb von einem „Negativbeispiel für eine Gesetzgebung, bei der zu hohe Ansprüche“ und „zu komplexe Verfahren“ zum offensichtlichen Scheitern führten.
Der neuen Verordnung müssen Parlament und Rat noch zustimmen. HEIKE HOLDINGHAUSEN