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Archiv-Artikel

CSU holzt gegen „Betrüger“

KRITIK Vor ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth bringt sich die CSU mit Parolen gegen „Armutsmigration“ in Stimmung. Kritik selbst von den Koalitionspartnern CDU und SPD

„Damit ermutigt die CSU braune Banden zu Gewalt“

BERND RIEXINGER, LINKSPARTEI

AUS MÜNCHEN TOBIAS SCHULZE

Das alte Kurhaus in Wildbad Kreuth hat Mitleid verdient. Das Gebäude liegt idyllisch am Fuße der Blauberge, die den Süden Bayerns von Tirol abgrenzen, vom Ausland also. Eigentlich geht es im Kurhaus gemächlich zu: Die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung betreibt ein Bildungszentrum und veranstaltet Seminare zu Themen wie „Senioren am PC und im Internet“. Ein paar Tage nach Neujahr wird die Behaglichkeit aber regelmäßig gestört. Dann treffen sich hier die Bundestagsabgeordneten der CSU zu ihrer Klausurtagung und veranstalten dort wohlkalkuliert einen großen Radau.

Den leitet die CSU traditionell Ende Dezember ein. In den nachrichtenarmen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr spielt sie mindestens eine ihrer Beschlussvorlagen den Medien zu, meist der Süddeutschen Zeitung. Der Inhalt bringt die Opposition auf die Palme und beunruhigt die Koalitionspartner. Es ist der Versuch, zu Jahresbeginn Stärke zu zeigen und die konservative Klientel zu befriedigen. Thema in diesem Jahr: der Kampf gegen „Armutszuwanderung“.

Ab dem 1. Januar dürfen Bürger der EU-Staaten Bulgarien und Rumänien uneingeschränkt in Deutschland leben und arbeiten. Die CSU will laut ihrem internen Papier „falsche Anreize zur Zuwanderung verringern“. Sie schlägt vor, EU-Ausländern Sozialleistungen erst zu gewähren, nachdem sie sich drei Monate in Deutschland aufgehalten haben. Wer schummelt, um Hartz IV oder Kindergeld zu erhalten, soll härter als bisher bestraft werden – mit Ausweisung und Wiedereinreisesperre. „Wer betrügt, der fliegt“, so die Parole im CSU-Entwurf.

Die Koalitionspartner der Christsozialen in Berlin kritisieren die Forderungen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), sagte am Sonntag: „Die CSU sollte ihren Jahresauftakt in Wildbad Kreuth nicht dazu nutzen, durch falsche Pauschalurteile die Stimmung in unserer Gesellschaft gegen Arme aufzuheizen.“ Es sei unverantwortlich, arme Menschen pauschal als Kriminelle zu diffamieren. Auch CDU-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff teilt die Befürchtungen der CSU nicht. Vor der EU-Osterweiterung 2004 habe es ähnliche Sorgen gegeben. Bewahrheitet hätten sie sich nicht, sagte er der Welt.

Oppositionspolitiker drückten sich deutlicher aus. Die CSU ermutige „braune Banden zu Gewalt“, sagte Bernd Riexinger, Vorsitzender der Linkspartei. „Manchmal hat man schon den Eindruck, die CSU ist der regierende Arm der AfD.“

Die Diskussion erinnert an frühere Klausurtagungen der CSU-Landesgruppe. Vor zwei Jahren forderten die Abgeordneten in Wildbad Kreuth, Schuldenstaaten mit dem Rauswurf aus der Eurozone zu drohen. 2010 sprachen sich die CSU-Politiker auf ihrer Tagung entschieden gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus – sehr zum Ärger des damaligen Außenministers Guido Westerwelle und seiner FDP.

So hart wie in diesem Jahr fielen die Kreuther Forderungen der CSU aber zuletzt 2008 aus. Genau wie heute standen in Bayern Kommunalwahlen bevor. Das große Thema der Klausurtagung damals: Jugendgewalt und ausländische Straftäter. Kurz vor Weihnachten hatten Heranwachsende in der Münchner U-Bahn einen Rentner brutal verprügelt. In Kreuth forderte die CSU daraufhin, Straftäter ohne deutschen Pass schneller abzuschieben.

Bei der Wahl fuhr die CSU zwei Monate später ihr schlechtestes Ergebnis seit Jahrzehnten ein. Vom Wahlkampfthema profitierten andere: Zum ersten Mal seit 1966 zog ein Funktionär der NPD in den Münchner Stadtrat ein.