: ARD gewann Blumentopf
Fußball-WM: Wenn das Erste nach Deutschland-Spielen die „RAPortagen“ der Münchner HipHopper Blumentopf zeigt, bleiben kommerzielle Deals außen vor. Das war nicht immer so
VON GUNNAR LEUE
Während die TV-Spielanalysten nach dem Tor-Festival im Eröffnungsspiel über die anfällige deutsche Abwehr moserten, wurde die Klinsmann’sche Spielphilosophie von der Rappercrew Blumentopf in der ARD verteidigt: „Uns kann nichts passier’n / kassieren wir zwei, dann schießen wir vier / Das ganze Land ist im Fußballfieber / unser Team wird Gruppensieger.“ Die Münchner machen sich seither regelmäßig im Ersten einen Reim auf das Spiel der Unsrigen. Außerdem werden sie die Halbfinale und das Finale im HipHop-Style analysieren.
Das Werkeln an den „RAPortagen“ beginnt sofort nach dem Schlusspfiff im Studio, von wo die Tracks direkt ins ARD-WM-Studio überspielt und dort zu einem Fußball-HipHop-Video zusammengeschraubt werden. Der 1:30-Zusammenschnitt des Deutschlandspiels mit der feschen Blumentopf-Unterlage wird jeweils am nächsten ARD-Sendetag gezeigt.
Aufmerksamkeit als Lohn
Den Deal hat nicht etwa Blumentopfs Plattenfirma Four Music eingefädelt: Auf die gleichermaßen witzige wie clevere Idee sind die Rapper zusammen mit einem Kumpel aus der ARD-„Sportschau“-Redaktion gekommen. Dass es keinerlei kommerziellen Hintergrund bei der Fernsehbild-Untergrundmusik gibt (Cajus von Blumentopf: „Aufmerksamkeit ist unser Lohn“), darf man in diesem Zusammenhang ruhig hervorheben, denn es ging vor nicht allzu langer Zeit auch ganz anders. Spätestens seit „ran“-Zeiten ist die rockige Untermalung von redaktionellen Beiträgen auch bei den Öffentlich-Rechtlichen zum Standard geworden. Dabei griff die „Sportschau“ für ihre diversen Trailer- und Abspannfußballbilder bis zum Saisonausklang 2005 auch gern auf die Fachleute aus der Musikwirtschaft zurück.
Einer, der sich in diesem Bereich in jeder Hinsicht gut auskennt, ist Johannes Cordes vom Major Label Universal Records. Er sagt: „Rockige Musik passt am besten zum Fußball, das wollen die Redakteure. Der Casting-Kram und alles, was künstlich gebaut ist, hat weniger Platz. Stattdessen sind Realbands mit Männeraffinität gefragt.“
Deutschsprachige Rockmusik ging allerdings lange gar nicht, erst vor rund zwei Jahren hat sich dies geändert. Eine Band, die davon profitierte, war Juli. Sie begleitete noch vor gut einem Jahr die Kicker bei der ARD-„Sportschau“ im Hintergrund. Monatelang lief ihr Song „Warum“ als Soundtrack zum „Tor des Monats“-Trailer. Außer Juli spielten auch die Universal-Acts The Killers und Bosse TV-Stadienrock. Mindestens 20.000 Euro pro Band dürfte das ihre Plattenfirma gekostet haben.
Dafür hatte die ARD einen Extraservice für die Zuschauer eingerichtet: Am unteren Bildrand erfuhr der Zuschauer, welcher Rock gerade neben dem Ball rollt. Per Unterzeile wurde auch auf das zugehörige Album hingewiesen, damit es der potenzielle Käufer im CD-Regal ja findet.
Auch in der jüngst zu Ende gegangenen Saison verstummte die Trailermusik nicht, nur die Namen der Sänger und ihrer Platten waren bei den Öffentlich-Rechtlichen plötzlich nicht mehr zu lesen. Während die Rolling Stones über Monate bei den Champions-League-Übertragungen auf Sat.1 ihr „Rough Justice“ auch visuell erkennbar zum Einsatz brachten, ist die kleine Werbung für zwischendurch bei ARD und ZDF völlig ausgeblendet. Wer glaubt, dass das mit den Skandalen ums Product Placement bei den Öffentlich-Rechtlichen zu tun hatte, dürfte wohl richtig liegen. Auch wenn es zum Beispiel bei der ARD offiziell hieß, der Vertrag mit den Partnern in der Musikindustrie sei schlicht ausgelaufen.
Bolzplätze für Bands
Johannes Cordes von Universal findet das bedauerlich. Für ihn waren die Fußballsendungen lukrative Bolzplätze für aufstrebende Bands. „Es wird ja immer schwerer, im Wald der Neuveröffentlichungen gehört zu werden. Bei Fußball klappt das.“ Deshalb wird man bei Universal weiterhin auf Fußballsendungen setzen und auch in der nächsten Saison wieder mit dem DSF kooperieren. Dort gab es sogar mal den Fall, dass ein Trailersong zum Hit wurde. In der vorletzten Saison wurde eine Musik eingesetzt, die ein Bekannter eines Redakteurs angebracht hatte. „Wir fanden sie gut und haben sie einige Monate als Trailermusik für ‚Hattrick‘ benutzt“, erzählt Roy Dafooza, der beim DSF für den konzeptionellen Musikeinsatz bei Trailern zuständig ist. „Der Song ‚Ticket to L.A.‘ von Nathan wurde dann so stark nachgefragt, dass der Musiker ihn bald darauf als Download angeboten hat.“
Auch die WM-Tracks von Blumentopf sind bei den Fans beliebt – trotzdem sollen sie nicht auf das bald erscheinende Album der Rapper kommen. Für die ARD also kein Grund, sich um Schleichwerbung zu sorgen.