portrait : Ein normal rebellierender Ziehsohn
Der Steuermann der deutschen Versicherungswirtschaft heißt Michael Diekmann. Er gilt als Ziehsohn seines Vorgängers, des schmissigen Henning Schulte-Noelle. Aber wie normale Söhne fand auch Diekmann bald Gefallen daran, kräftig gegen den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden zu rebellieren.
Diekmann übernahm 2003 nach einer turbulenten Hauptversammlung das Ruder des weltweit führenden Versicherungskonzerns. Vorher hatte der Vater dreier Kinder noch von „gemischten Gefühlen“ gesprochen, die ihn bewegten. Solche durften ihn auch plagen, denn die Allianz lebte bis dahin nur vom Eingemachten. Diesen Substanzverlust wollte Diekmann stoppen. Er stand jedoch vor einem Dilemma. Die taumelnden Börsenkurse hatten das Kapital angefressen, und die niedrigen Zinssätze ließen kaum vernünftige Erträge zu. Der Kauf der Dresdner Bank 2001 drohte zu einem teuren Flop zu werden. Zudem wuchsen die möglichen Schäden durch Umweltkatastrophen, und die US-Tochter bedrohten milliardenschwere Asbest-Klagen. Diese Probleme hatten sich kurz vor Amtsantritt zu einem Rekordverlust von 2,5 Milliarden Euro in nur einem Quartal summiert, dem schlechtesten Ergebnis in der 117-jährigen Firmengeschichte. Trotzdem war schon damals der Assekuranzgigant im Kern wirtschaftlich gesund.
Wer mit dem 51-Jährigen spricht, ahnt, dass er diese Probleme nicht nur anpacken musste, sondern es auch leidenschaftlich wollte. Heimlich war Diekmann froh, von Schulte-Noelle, der bis dahin als Übervater aller Wirtschaftsführer galt, offene Fragen übergeben bekommen zu haben. „Ich bin genau 15 Jahre bei der Allianz“, freute sich Diekmann auf der Hauptversammlung 2003 über Jubiläum und neuen Posten.
Studiert hat der Allianz-Chef neben der Rechtswissenschaft auch Philosophie in Göttingen. Es folgten Lehrjahre im familieneigenen Fachverlag, bis er zum Versicherungsmann mutierte. Inzwischen hat Diekmann die Allianz in den unterschiedlichsten Aufgaben im In- und Ausland kennen gelernt, im Vertrieb in Hamburg-Harburg, Köln und Singapur, später kamen noch Osteuropa, der Nahe Osten, Afrika und Südamerika hinzu. Vor seiner Berufung auf den Chefposten war er für das internationale Personalwesen verantwortlich. „Diese unterschiedlichen Perspektiven und Kontakte haben mich geprägt“, sagt Diekmann mit Siegesgewissheit wie ein typischer Sohn. Widerstand kam jedoch nicht vom Übervater, sondern vom braven Vorstandskollegen Reiner Hagemann. Der verließ Ende 2005 den Konzern, weil er den rücksichtslosen Umbau des Unternehmens ablehnte. HERMANNUS PFEIFFER