: „Warum ‚WamS‘“
Die Axel Springer AG setzt endgültig auf eine Zentralredaktion für Printund Internet. Zeitgemäß – sagt Journalistikprofessor Klaus Meier
INTERVIEW MARTIN REICHERT
taz: Alles ein Brei, Welt, Welt Kompakt, Berliner Morgenpost und jetzt auch noch die Welt am Sonntag haben künftig nur noch ein gemeinsames Politik- und Wirtschaftsressort – aus Sicht des Lesers Etikettenschwindel?
Klaus Meier: Natürlich will der Leser wissen, ob er die MoPo oder die Welt liest, die Profile der einzelnen Medien müssen bewahrt werden. Für die Journalisten allerdings gestaltet sich das Arbeitsleben in einer solchen Struktur spannender.
Weil sie mehr arbeiten müssen?
Der Arbeitsdruck steigt zwar, aber es gibt eben auch mehr Plattformen. Ein WamS-Redakteur kann auch mal aktuell schreiben, umgekehrt kann sich ein einzelner Journalist herausnehmen und länger an einer Geschichte arbeiten.
Schön für die Journalisten. Und wo bleiben die Leser?
Es gibt bisher keine Untersuchungen, wie Leser eine solche redaktionelle Umgestaltung wahrnehmen. Allerdings kann es zu Problemen kommen: Wenn jemand in der WamS ständig Artikel vorfindet, die vorher schon in der MoPo abgedruckt waren, fragt er sich natürlich, warum er noch die WamS kaufen soll. Die Gefahr besteht darin, dass die Vielfalt verloren gehen könnte, die Konkurrenz um exklusive Themen. Andererseits sind bei Springer die Grundsätze ja ohnehin bekannt.
Nimmt sich also nicht viel. Steigt denn wenigstens die Qualität, wenn es schon an Vielfalt mangelt? Mit weniger Redakteuren?
Die hätten auch so Stellen eingespart, man kann schließlich jede Redaktion ausdünnen, bis nur noch Umbruch-Redakteure übrig bleiben, die hektisch Seiten füllen. Die neue Springer-Struktur muss jedoch keinen Qualitätsverlust bedeuten, im Gegenteil. So wie der Arbeitsdruck steigt, verbessern sich auch die technischen Möglichkeiten, Mehrfachverwertungen werden so erleichtert.
Springer hat sich zum Ziel gesetzt, die Marktführerschaft im Online-Bereich zu erobern.
Spiegel-Online ist eigentlich uneinholbar, eine Marktführerschaft wäre nur im Vergleich zu anderen Tageszeitungen denkbar. Dennoch ist es richtig von Springer, auf einen crossmedialen Auftritt zu setzen.
Wird die Bedeutung des Online-Auftritts für Tageszeitungen nicht doch überschätzt?
Nein, gerade jüngere Leserschichten nutzen verstärkt die Online-Angebote der Tageszeitungen, da kommt man gar nicht mehr drum herum. Es wird immer wichtiger, Nachrichten auf möglichst vielen Wegen verfügbar zu machen.
Alles nur eine technische Frage?
Man braucht schon Redakteure, die sich gezielt um den Online-Auftritt mit seinen besonderen Anforderungen konzentrieren. Die sollten aber nicht in einem anderen Gebäude sitzen, sondern im Herzen der Redaktion.
Die dann mit schmaler Besetzung bis zum Herzinfarkt arbeiten muss?
Ausbeuten kann man jedes Modell.