: „Ich habe Angst vor dieser Sendung“
Der Buchautor Walter van Rossum über die monströse Schlichtheit der talkenden Politikerklasse
taz: Herr van Rossum, die Sonntage mit Sabine Christiansen sind gezählt. Wie fühlen Sie sich?
Walter van Rossum: Indifferent. Seitdem ich mit meinem Buch fertig bin, hätte ich mir „Sabine Christiansen“ nur noch gegen Zahlung eines vierstelligen Betrags angeguckt. Ich habe Angst vor dieser Sendung.
Warum?
Je mehr man davon versteht, wie die Sendung gemacht wird, desto bedrückender wird’s.
Was bedrückt Sie?
Die monströse Schlichtheit des Geistes unserer herrschenden Klasse, die dort ausgestellt wird und gegen die man mit mir bekannten analytischen Instrumenten nicht mehr ankommt. Intellektuell liegt die Sendung auf dem Niveau eines Vierjährigen. Schon Siebenjährige machen sich drüber lustig.
Sie können sich ja immer noch richtig ereifern …
… weil es mich nach wie vor ratlos macht, dass dieser Volksgerichtshof des Irrsinns nicht viel mehr Proteste auslöst.
Ist „Sabine Christiansen“ ein Spiegel unserer Gesellschaft?
Auf eine komplizierte Weise: Ja. Es ist eine Bühne, auf der gespielt, aber nichts gesagt wird. Was da verhandelt wird, repräsentiert nicht die Realität, sondern eine Scheinwelt.
Wie meinen Sie das?
Die Themen sind stehende Ewigkeiten: Wenn Sie ein paar Details austauschen, könnten Sie eine vier Jahre alte Sendung wiederholen, ohne dass es jemand merkt.
Auch wegen der immer gleichen Gäste …
… durch deren Scheinauseinandersetzungen „Sabine Christiansen“ Demokratie simuliert.
Wird ihr Nachfolger Günther Jauch daran etwas ändern?
Nein. Aber Jauch ist hochintelligent und wird es besser tarnen.
Warum tut er sich das an?
Jauch ist käuflich, und sein Preis sicherlich sehr hoch.
Also wird seine Sendung nicht besser?
Ich bin mal gespannt, was sich die ARD einfallen lässt, glaube aber nicht, dass Frau Christiansens Abschied zu einem Umdenken führen wird.
Was wünschen Sie Herrn Jauch?
Weiß ich nicht.
Und Frau Christiansen?
Ein bisschen Entspannung.
INTERVIEW: DAVID DENK