: Illegale sollen Lohn einklagen können
Grüne und Linkspartei wollen illegalen Migranten mehr Rechte geben. Unterstützung kommt von Migrationsexperten und Ärzten. Vertreter der Bundesländer sind skeptisch. Auch die Zustimmung durch den Bundestag ist nicht sicher
AUS BERLIN MAURITIUS MUCH
Hustend kommt ein Mann in die Praxis von Cornelia Goesmann. Die Allgemeinärztin aus Hannover diagnostiert eine offene Tuberkulose, eine Lungenerkrankung, die hochansteckend ist und tödlich sein kann. Es ist keine Frage, dass die Ärztin dem Mann helfen wird. Das gebiete schon allein das Berufsethos, sagt Goesmann, die nebenbei Vizepräsidentin der Bundesärztekammer ist.
Doch Cornelia Goesmann hat nun ein Problem. Der Mann mit der offenen Tuberkulose ist illegal in Deutschland. Sie müsste den Ausländerbehörden melden, dass der Mann bei ihr in der Praxis ist. Dann würde er abgeschoben. Wenn sie ihm aber hilft, drohen ihr eine Anzeige und ein Ermittlungsverfahren.
Fälle wie den von Cornelia Goesmann soll es in Zukunft nicht mehr gehen, wenn es nach den Grünen und der Linkspartei geht. Die beiden Oppositionsparteien haben Gesetzesentwürfe in den Bundestag eingebracht, mit denen sie die Situation der Illegalen in Deutschland verbessern wollen. Wie viele illegale Migranten derzeit in Deutschland leben, ist schwer zu ermitteln. Seriöse Schätzungen reichen von hunderttausend bis zu einer Million Menschen.
Durch das neue Gesetz sollen Migranten ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht nur in den Genuss einer medizinischen Grundversorgung kommen, sondern auch ihren Arbeitslohn vor Gericht einklagen können. Da sie illegal in Deutschland sind, können sie nur schwarz arbeiten. Oft werden sie um ihren Lohn geprellt. Zudem sollen Kinder von illegalen Einwanderern zur Schule gehen dürfen. Bisher ist das nur in Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein möglich. Die Pflicht, Illegale sofort den Aufenthaltsbehörden zu melden, soll fallen. Das betrifft vor allem Lehrer, Ärzte und Pflegepersonal.
Momentan behandelt der Innenausschuss des Bundestags die Änderungsvorschläge. Es ist allerdings nicht sicher, ob die große Koalition oder die FDP den Vorschlägen zustimmen werden. Zumal auch Vertreter der Bundesländer gegen ein neues Gesetz sind. Wilfried Schmäing, Leiter des Ausländerreferats im hessischen Innenministerium, etwa möchte die Mitteilungspflicht beibehalten. „Durch die Streichung dieser Pflicht würde eine Steuerung der Migration unmöglich gemacht.“
Migrationsexperten begrüßen jedoch die Entwürfe von Grünen und Linkspartei. „Bisher versucht der Staat, sein Versagen bei der Verhinderung von illegaler Einwanderung damit zu bekämpfen, dass er eine Mitteilungspflicht für Einrichtungen anordnet, die nicht zu ihren Aufgaben gehört“, sagt Professor Michael Bommes vom Institut für Migrationsforschung an der Universität Osnabrück. Der Gesetzesentwurf beseitige diesen Missbrauch. Norbert Cyrus von der Uni Oldenburg pflichtet ihm bei. Cyrus hat keine Angst, dass Deutschland durch das neue Gesetz zu einem Paradies für illegale Einwanderer wird. „Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass erweiterte Schutzmaßnahmen nicht zu einem Mehr an illegaler Migration führen“, so Cyrus.
Cornela Goesmann und der deutschen Ärzteschaft wäre es am liebsten, wenn das Gesetz schon bald in Kraft treten könnte. „Dann haben wir endlich Rechtssicherheit“, sagt sie. Zwar sei in Deutschland bis jetzt noch kein Arzt von einem Gericht verurteilt worden, weil er illegalen Einwanderern geholfen habe. Aber die Mediziner seien jedes Mal stark verunsichert, ob sie Illegalen helfen dürfen oder nicht. Dem Mann mit der offenen Tuberkulose hat Goesmann geholfen. Seitdem hat sie ihn nicht mehr wiedergesehen. Wohl aus Angst, abgeschoben zu werden.