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Archiv-Artikel

Baden in der Großbaustelle

Im Strandbad Wannsee kommen Badegäste nur an Gerüsten vorbei hinunter ans Wasser. Auch über Schutthaufen muss man klettern. Das Bad wird zum anstehenden 100. Geburtstag komplett saniert. Ungetrübte Badefreuden gibt es erst wieder 2007

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wer in diesen Tagen das Strandbad Wannsee besucht, blickt von seiner Liege am besten stur geradeaus aufs Wasser. Denn hinter seinem Rücken eröffnet sich derzeit kein Sommerbad, sondern eine Großbaustelle. Durch diese müssen sich die Besucher – immerhin 8.000 und mehr Badefans täglich sind dies bei der Hitze – bis hinunter zum Strand und an das Wasser quälen. Bis an den Hauptstrand heran sind die Abbruch- und Sanierungsarbeiten gerückt. Und wer sich ein kaltes Getränk kaufen will, muss vorbei an verrotteten Gebäuden, Absperrbändern, Schutthalden, Rohbauten und Gerüsten.

Bis Anfang Mai 2007 wollen die Stiftung Denkmalschutz Berlin und die Berliner Bäderbetriebe (BBB) das dann 100 Jahre alte Strandbad saniert haben. 7,5 Millionen Euro der Stiftung Denkmalschutz und rund 4 Millionen von den BBB werden investiert. Nach Angaben von Bäderchef Klaus Lipinsky liegen die Baumaßnahmen bis auf das Restaurant „Lido“ im Zeitplan. Hallen, Stützwände, Ladenstraße und Wandelgänge sollen 2007 fertig gestellt sein.

Hätten die Baumaßnahmen aber, wie vielfach gefordert, früher begonnen und wäre die Finanzierung nicht vom Land und vom Bezirk regelrecht blockiert worden, wären die Einschränkungen für die Badegäste nicht ganz so extrem. Selbst für Badeleiter Axel Ott gehen die „Belastungen“ durch die Sanierung an die Grenzen des Erträglichen.

Die Besucher ertragen die Baustellen-Atmosphäre bisher mit berlintypischem Understatement. Dennoch ärgern sich viele: Das Baustellen-Hopping zum Strand beginnt bereits kurz hinter dem Eingang. Eine der beiden Haupttreppen ist gesperrt, weil ihre Stufen während der Sanierung einkrachten. Wer mit dem Kinderwagen zum Wasser will, muss den die Treppe hinuntertragen oder einen weiten Umweg machen.

Unzugänglich sind die großen Promenadendecks und Wandelgänge. Zwei der vier großen Hallen sind eingerüstet, Toiletten und Umkleiden nur eingeschränkt nutzbar. Am meisten ärgert die Badegäste, dass das spezielle Freibadklima an Eis- und Würstchenbuden sowie Kaffee- und Saft-Theken nicht aufkommen kann. Diese Einrichtungen haben geschlossen. In den Zugängen zum Strand stehen ein paar Bierbänke. Eis, Chips und Drinks gibt es nur an kleinen mobilen und transitären Verkaufsständen. Das kleine TV-Gerät an der provisorischen Bierbar bietet beim Fußballgucken wenig Vergnügen.

Das einstige „Weltstadtbad“ hatten Martin Wagner und Richard Ermisch im Stil der Neuen Sachlichkeit in den 1920er-Jahren konzipiert. Mit seiner Länge von 540 Metern und den vier großen treppenartigen Baukörpern zählt es bis dato zu den größten Freibadanlagen der Welt. 12.000 Badegäste können sich an dem 1.200 Meter langen Strand tummeln. Für die Westberliner samt Kind und Kegel ist es die Adresse unter den Strandbädern. Und seit es Conny Froboess 1951 mit „Pack die Badehose ein“ zur Legende geträllert hat, kennt man es republikweit.

Weil das Bad seit den 1980er-Jahren verfiel, wurde bereits damals eine Sanierung gestartet. Die Rekonstruktion wurde aber aus Denkmalschutz- und letztlich Kostengründen von den hoch defizitären Bäderbetrieben nicht vollendet. Als immer mehr Gemäuer bröckelte, wurden Sonnendecks und zwei Flügel geschlossen – und die Komplettsanierung des 1907 eröffneten „Familienbades“ ins Auge gefasst.

Zum Jubiläum 2007 soll das sanierte Bad mit modernen Zusatzeinrichtungen wie einem Wellnessbereich und einer Sauna nutzbar sein. Zusätzlich entsteht ein kleines Museum. Bis dahin bleibt man am besten in Wannsee im Wasser.