: Ein geöffnetes Pferd
Knüppel aus dem Sack! Wenn Schweizer sich etwas zur Aufgabe machen, dann machen sie das erfahrungsgemäß auch richtig. Und wenn drei Schweizer Musiker plus ein kanadischer Bassist beschließen, ihre Erfahrungen im freien Jazz zu nutzen, um brutalen Noisecore zu spielen, dann kann man sich darauf verlassen, dass das Ergebnis an dreckiger Wucht nichts zu wünschen übrig lässt.
Monno nennt sich der Zusammenschluss von Schlagzeuger Marc Fantini, Saxofonist Antoine Chessex, Elektronikfachmann Gilles Aubry und Bassist Derek Shirley, die von Berlin aus ihre Kräfte für gezielte Attacken auf ihre Hörer bündeln. „Cheval Ouvert“, ihr neuestes Album, konzentriert sich, ähnlich wie zuvor „Ghosts“, auf Drone und Doom, ohne sich allzu sehr mit Klischees und Konventionen dieser Genres aufzuhalten.
Auf einige Elemente lässt sich hingegen nicht verzichten. So erhebt sich der verzerrte Bass mit der Majestät von vier Riesenmammutbäumen in einer verwüsteten Landschaft, in der ansonsten der Ausnahmezustand zu herrschen scheint: Das Schlagzeug prügelt sich entweder wie in Todesangst aus den Begrenzungen des Takts heraus oder pulst ausnahmsweise auch mal mit der fließenden Primitivität minimalistischer Black-Metal-Songs. Hinzu kommen verfremdende Details wie das durch einen Gitarrenverstärker gespielte Saxofon von Antoine Chessex, das an eine sägende Gitarre erinnert, jedoch distanzierter wirkt. Für beinahe pausenlose Nervosität sorgen schließlich Gilles Aubrys elektronische Beigaben, die als Dauerflirren oder sirenenartig ansteigende Warnsignale wenig Gutes zu verheißen scheinen.
Aus dieser kalkulierten Überreizung erzeugt das Quartett zugleich so etwas wie raue epische Schönheit. Das Bassfundament mag zwar bedrohlich knarren, trägt aber immer noch Spuren von Groove in sich. Und die Saxofonriffs dröhnen in gequälter Erhabenheit, die eben nicht nur schockieren, sondern immer auch begeistern will.
Für all das lassen sich Monno viel Zeit. Ihre lediglich von 1 bis 4 durchnummerierten Stücke dauern zwischen 10 und 15 Minuten, halten stets die Grundstimmung bei, variieren hier und da oder steigern ganz allmählich die Dramatik. Die damit einhergehende Beunruhigung des Hörers ist beabsichtigt: Mit dem Titel „Cheval Ouvert“ haben Monno ein Bild für unsere eigene Gewalt gewählt – das Pferd, das hier aufgebrochen wird, ist das Opfer von Menschenhand. Zivilisationskritik? Vielleicht.
TIM CASPAR BOEHME
■ Monno: „Cheval Ouvert“
(Idiosyncratics)